Montag, 17. Februar 2014

Ode an den Lappen




Was gibt es zu vermissen aus der „guten alten Zeit“, die bei jedem anders aussieht, erst recht, wenn man unterschiedlich alt ist?

Ein leider von der Dienstleistungs-Wüste ausgerottetes Relikt ist auf jeden Fall: der Tankwart! Tanken machte damals noch mehr Spaß – es gab einen Tankwart! Ein Mann im blauen Overall und einer abgetragenen Schirmmütze. Auf beiden stand bei unserem immer die Marke mit dem Tiger im Tank, weil wir zeitweise neben einer solchen Marken-Zapfsäule wohnten. 

War man (in diesem Fall mein Vater) also an eine Zapfsäule gerollt, brauchte er nur noch das Fenster (mit der Hand!) herunterzukurbeln und den Schlüssel herauszureichen. Der Tankwart grüßte freundlich (alleine das wäre heute schon bewundernswert), nahm die Zapfpistole mit (immer demselben) ölverschmiertem Lappen, fragte noch „Voll?“ und kümmerte sich dann um die Scheibe bzw. um die Mücken darauf, sah auf Zuruf nach Wasser und Öl und bei Bedarf sogar nach der Luft im Reifen. 
Er war eine kompetente Person, deren Rat zählte. Ob man wissen mußte, wie man am besten nach Linnich kam oder ob der neue Opel Rekord wirklich so gut war: er half.

Und wenn eine Scheinwerfer-Birne durchgebrannt war, hat er sie einfach so  gewechselt. Ein Vorgang, der heute einen unbezahlbaren Aufwand bedeutet, sodass man sich fragt, ob die Ingenieure da in den letzten vierzig Jahren bei der Modellpflege nicht deutlich gepennt haben. 

Irgendwie schlich sich das Gefühl ein, dass man nach einem solchen Zwischen-Stopp die nächsten 300 km bis zur nächsten Füllung wieder gefahrlos überstehen konnte. Und damals konnte ja auch noch was passieren! Vom Platten wegen eingefahrenem (Huf-?) Nagel über Ölverlust, gerissenem Keilriemen bis zum qualmenden Kühler (Käfer-Fahrer weghören) war alles möglich. Reparaturen am offenen Herzen fanden nicht mit Laptop und Online-Schaltung zum Hersteller sondern mit Zehner-Maul und Hammer statt.

Irgendwann verkam dieser Job leider zum guten Rat vom Fachmann im Fernsehen. Zwischen zwei Mal Mainzelmännchen zeigte man dann einen markenlosen Mann mit sauberem (!) Overall und ohne Lappen „Wir wissen nicht, was dieser freundliche Tankwart empfiehlt… wir empfehlen bei Kopfschmerzen: TOGAL!“  Traurig.

Freitag, 14. Februar 2014

Dem Mann sein Auto



Ein frühes s/w -Foto zeigt mich mit vier Jahren beim Waschen eines Tankwagens, neben mir schäumte mein Vater 1962 seinen ersten Opel Rekord ein. Bevor jetzt wieder „Kinderarbeit“ gerufen wird: meiner war ein kleiner Plastikwagen.
Zwanzig  Jahre später : ich war Besitzer einer (sehr) alten Ente. Der Wagen hätte gar nicht gewaschen werden dürfen, weil er sonst mangels tragender Teile ganz auseinander gebrochen wäre. Der Dreck hatte sozusagen statische Qualitäten. Ich machte höchstens in scharfen Kurven alle halbe Jahre mal die Türen auf, damit überflüssiges Zeug rausflog.
Heinrich V., der 65ér Käfer, den ich bis vor fünf Jahren noch fuhr, erhielt dann wieder die bestmögliche Pflege mit Handwäsche, Chrompolitur und einer frischen Blume in der Vase. Man ehre das Alter!
Ansonsten bin ich, was das Waschen von Autos angeht, eher teilnahmslos. Die Zeiten, in denen ich als Angestellter meinen Firmenwagen alle zwei Wochen einfach irgendwo an der Tankstelle abgab und „einmal komplett“ sagen konnte, sind lange vorbei. Und zu solchen Wagen hat man ja eh kein persönliches Verhältnis.

Aber jetzt hat es mich dann doch genervt: wir hatten neulich in der Essener City Theater-Karten und ich parkte glücklicherweise fast davor …unter einem großen Baum. Bei der Rückkehr hatte ich dann Probleme, den Wagen  wiederzuerkennen: die Krähen-Meute auf dem Baum darüber hatte es anscheinend speziell auf meinen Wagen abgesehen und einen Kletsch  Scheiße  abgezirkelt neben dem anderen abgesetzt. Ich stellte mir den Wettbewerb da oben auf den Ästen vor: „Jetzt du, Willy, auf die Antenne!“ Und wenn sowas von 20 Metern runterknallt, hat das schon seine Wirkung auf dem Blech.
Drei Tage bin ich damit rumgefahren, dann siegte der Spießer in mir: bei „Willy´s Waschgarage“ gab es „einmal die Eins, bitte“ und ein Mann in Ölzeug rückte dem Wagen mit der Hochdruckpistole zu Leibe. Nun strahlt das Blech und Saugen gab´s auch gratis. Wenn ich mich jetzt noch dabei ertappe, dass ich bei Aldi nächste Woche „Cockpit-Tücher“ kaufe, kann ich guten Gewissens melden: bin wieder zwanzig Jahre älter!

Dienstag, 11. Februar 2014

Earny´s Place



Beim Ausmisten der Mappe mit Uralt-Dokumenten vom ersten selbstgeschriebenen Wunschzettel mit Fünf („aine Sement Mischmasine unt ein bieschen Lego“) bis zur Prüfung als Stadtführer in Aachen stößt man mitunter auf längst verschollen geglaubte, dann aber umso mehr willkommen geheißene Blätter. So ging es mir, als ich plötzlich ein  stark vergilbtes DIN A 5 - Machwerk (ca. 1981 n.Chr.) in der Hand hielt. Auf einmal läuft ein Film im Kopf ab und man braucht sich nur nochmal gedanklich  zurückzulehnen:
Hoffnungsvoller Nachwuchs-Akademiker, irgendwo zwischen Vordiplom und permanenter Geldnot schwebend, erhielt Job als „Geschäftsführer“ in einer neu zu eröffnenden Kneipe mitten in Aachen. Mit dem angeborenen gastronomischen Ur-Instinkt eines Studenten und der Ausbildung zum Hotelkaufmann in einem Düsseldorfer Fünf-Sterne-Bunker im Rücken sollte ich derjenige sein, welcher. 
Mein Boss, Earny, ein schwarzer, eins sechzig großer Südafrikaner mit braunem Ford Camaro und goldener Rolex, traute mir das erstaunlicherweise direkt zu. Ich muss ihn mit meinen knallharten Verkaufspreis-Kalkulationen von Bitburger und Bloody Mary wohl überzeugt haben. Er selbst hatte als zweites Standbein eine alteingesessene Kneipe in irgendeinem Maastrichter Keller und war - erstaunlich oft - dazwischen dann wieder mal in Johannisburg.
Gesagt, versucht. Ich schöpfte aus dem Vollen, malte mit Filzstift und theoretischem Marketing - II Hintergrund einen Flyer, kopierte ihn ein paar Hundert Mal und suchte per Anzeige ein paar nette Mädels, die vier Pils und eine Frikadelle im Kopf zusammenrechnen konnten. Preislisten erstellen und Speisekarten schreiben ging schnell, alles war durchaus übersichtlich und ich hatte freie Hand. Ab und zu kam Earny vorbei, schien an allem Gefallen zu finden, stellte noch ein paar Flaschen ohne Etikett unter die Theke und verschwand wieder.
Die Eröffnung lief gut ab und nach ein paar Wochen schien es, als könne „Earny´s Place“ sich zu einem konstanten Fixstern am damals schon ziemlich vollen Aachener Kneipenhimmel entwickeln. Ich war´s zufrieden und räumte der praktischen Kneipenkarriere mit Bierdeckel-Buchhaltung durchaus ein paar Monate Priorität vor dem Diskutieren von Keynesianischen Modellen zur Preisfindung im perfekten Umfeld ein.
Es war die Zeit, in der man über Atomkraft-Aufkleber und Sonnenblumen an allen Wänden um die Uni stolperte, selbstgestrickte Latzhosen und Jutetaschen inklusive. Eine Vierer-Abordnung dieser Glaubensrichtung erschien auch bei mir vor der Kneipe – ein Transparent über dem Kopf mit traurig guckenden Fröschen, denen man bereits die Schenkel zum späteren Verzehr entfernt hatte. Anlass der lauten Truppe war meine Speisekarte, die unter anderem Froschschenkel bot. Earny hatte das wohl in Maastricht schon versucht und wollte es auch in Aachen verkaufen. Nicht, dass die dürren Dinger seit Gründung der Kneipe der Renner gewesen wären, aber so alle zwei Wochen kamen sie mit ein bisschen Knofi und Weisswein  in die Pfanne.
Um die Dezibel von der Straße zu kriegen, bot ich der grünen Truppe einen Früchtetee an und ließ mich auf ihre Argumentation, unterstützt von DIN A 4 Ordnern mit Bildern aus Indien oder sonst wo, ein. „Schweren Herzens“ gab ich dann auf, nicht ohne den zu erwartenden deutlichen Umsatz-Rückgang zu bejammern. Ob es da auch Hilfe gäbe? Angetan von meinem sofortigen Kompromiss-Angebot beschlossen sie, ihre wöchentliche Sitzung über Krisen in der Welt bei mir an der Theke stattfinden zu lassen. Zum Ausgleich wurden die Schenkel durch Frühlingsrollen verdrängt.
Alles hätte so schön bleiben können und mit Sicherheit hätte ich heute ein glanzvolles Kneipen-Imperium in der Euregio, wenn Earny nicht gewesen wäre! Eines Abends kurz nach Acht ging die Tür auf und zwei Herren in Zivil standen an der Theke, denen man den Freund und Helfer schon von Weitem ansah. Sie fragten nach mir und teilten mir mit, dass in Earny´s Place in genau fünf Minuten das letzte Pils aus dem Hahn gezapft würde, dann wäre Schluss. Mein schwarzer Freund hatte nämlich vergessen, seine kleinen Goldbarren bei der Ausreise aus Südafrika rechtzeitig vor dem deutschen Zoll wieder aus den Zahnpasta-Tuben zu nehmen. Seufz.

Montag, 10. Februar 2014

Er läuft und läuft und läuft…




…und jeder weiß direkt, wer gemeint ist! Halb Deutschland wuchs in den sechziger und siebziger Jahren in einem solchen Knubbel-Käfer auf, wenn ich den Geschichten meiner Freunde und Verwandte glaube. Jeder hat irgendeine Story parat
- wie man fünf Personen plus Gepäck für zwei Wochen Urlaub da hineingestopft bekam
-      - dass man als Knirps auf langen Fahrten immer in der Senke hinter der Rückbank schlief
-      -  wie man den Großglockner im Hochsommer damit locker bewältigte, während viel größere Wagen mit siedendem Kühler am Straßenrand streikten („Luft kann nicht kochen“)
-      - wie man Probleme mit dem Anspringen oft löste, indem man mit dem Hammer einfach unter dem Wagen auf den Anlasser schlug.

Mein erster eigener Wagen (wer hätte es nach der Einleitung vermutet?) war ein Käfer. Um genau zu sein, eine orangeroter 1302 mit satten 34 PS – für die Kenner mit gerader Windschutzscheibe und kleinen Rückleuchten. Es sollten später in unregelmäßigen Abständen noch viele andere davon folgen – der letzte vor knapp fünf Jahren - zwischendurch erwischte mich immer wieder die Sucht nach dem Insekt.
Es passierte, nachdem ich Ersparnisse und viele Zusatzmärker aller verwandten Familienmitglieder zum 20. Geburtstag und als gerade eingezogener Schütze Arsch in einen ersten eigenen Untersatz investieren konnte. Falls der Russe kam, konnte ich jetzt schneller handeln und mußte mich nicht auf die Bundesbahn verlassen. Als Gutachter stellte sich Onkel Theo - damals Gebrauchtwagenhändler in Dortmund -  beim Kauf zur Verfügung. Nach einer Probefahrt mit „starker“ Beschleunigung, noch stärkerem Bremsen (Scheibenbremsen vorne, jawoll!) und einem kritischen Blick auf alle beweglichen Teile gab er sein o.k. – hurra! Wenn ich mich richtig erinnere, sollte er 2.000,- DM kosten und ich habe ihn für 1.900,-DM bekommen.
Sofort nach Kauf und Zulassung kam es zum dann wichtigsten, was ein eigenes Auto für einen Kerl damals haben musste. Laute Mucke! Und so brauchte man als erstes das Radio-Kassetten-Gerät mit Boxen, dass einem die Ohren wegflogen. Laut heulende Polizeiwagen mit Blaulicht auf Stoßstangenabstand wurden ab da, wenn überhaupt, nur noch nach zufälligem Blick in den Rückspiegel wahrgenommen. Und auch das nur, weil die Riesenboxen so gerade mal einen Spalt für den Blick aus der Scheibe hinten frei ließen.
Ab da hieß es: Rheine - Aachen in 2 Stunden, 25 Minuten – bei Rückenwind und mit Led Zeppelin auch schneller! Highway to Hell wurde Freitags ab 14 Uhr wörtlich genommen.

MHD, es lebe hoch!

Nein, hier soll kein Loblied auf den Malteser Hilfsdienst gesungen werden. Ich möchte einen Dank an die Erfindung des Mindesthaltbarkeits-Datums aussprechen! Bescherte mir seine Existenz doch so manches längere Wochenende. Now, here´s the Story!
Vorab ein kurzer Einschub zum weiteren Verständnis der Dinge. Von Zeit zu Zeit gab es im Lager der Truppenküche den großen Kehraus. Alle dort eingelagerten Lebensmittel, die dazu dienen sollten, uns arme Soldaten nach Invasion der Russen noch ein paar Monate bei Laune zu halten, wurden quartalsweise auf weitere Verwertbarkeit untersucht. Es gab allerdings gewisse Nahrungsmittel bzw. solche, die so genannt wurden, die der „Motivation“ der Truppe eher gedient hätten, wenn sie gar nicht erst produziert worden wären. Ich erinnere mich da speziell und gerne an die sogenannten EPa´s (Ein-Mann-Pakete), die einen Soldaten für einen Tag ernähren sollten. Zu meinem Schrecken lese ich gerade in Wikipedia, dass es diese nach nun fast vierzig Jahren immer noch gibt und spare mir daher per Copy and Paste die weitere Inhalts- und Zweckbeschreibung (ab jetzt Zitat Wikipedia):

Die deutschen EPa
EPA-Kartons von 1981
Inhalt einer Einmannpackung Typ II
Für den Inhalt der EPa ist das Verpflegungsamt der Bundeswehr zuständig. Während des Kalten Krieges wurden vier Sorten der EPa eingelagert, kurz nach der Wiedervereinigung wurde die Vorratshaltung abgeschafft. Mit der Teilnahme Deutschlands an diversen Auslandseinsätzen wurde es wieder nötig, EPa zu lagern. Seither sind folgende Typen in Benutzung:
Typ I:
  • Fertiggericht 1: Ravioli mit Champignonsauce 300 g
  • Fertiggericht 2: Indische Reispfanne 300 g
  • Zwischenmahlzeit: Grießspeise mit Früchten 150 g
Typ II:
Entweder Fertiggericht 1 mit 2a oder 2b kombiniert, oder 2a und 2b zusammen.
Typ III:
Sonstiger Inhalt:
Der sonstige Inhalt ist immer gleich und lässt sich gegenseitig ergänzen (zum Beispiel Schokolade über Obstsalat, Schmelzkäse über Nudeln oder ähnliches).
  • Dosenbrot
  • Hartkekse
  • Wurst
  • Streichkäse
  • Konfitüre
  • Zartbitterschokolade
  • Kaugummi
  • Tee-Extrakt
  • Kaffee-Extrakt
  • Kaltgetränkepulver
  • Zucker
  • Speisesalz
  • Kaffeeweißer
  • Wasserentkeimungstabletten (nicht mehr in allen Packungen enthalten, die Chlortabletten wurden aus gesundheitlichen Gründen entfernt)
  • Streichhölzer
  • Erfrischungstuch
  • Mehrzweckpapier (Papierserviette/Toilettenpapier)

Zitat Wikipedia Ende, vielen Dank.

Um es kurz zu machen: wann immer wir im Manöver – was Gott sei Dank selten vorkam – diesen Auswuchs an kulinarischen Negativ-Exzessen ausgeteilt bekamen, gab es zwei Arten, damit umzugehen:
A)   Neulinge wühlten sich intensiv und neugierig durch den Inhalt, testeten z.B. Goulasch mit Nudeln (auf dem Esbit-Kocher erhitzt) an, stellten fest, dass sich kein geschmacklicher Unterschied zu Grießbrei mit Obst feststellen ließ, verzogen angewidert das Gesicht, versuchten in die Hartkekse zu beißen, erkannten schmerzhaft, warum diese so hießen und gaben irgendwann hungrig auf.
B)   Länger gediente (ab drei Monaten) rissen die Packung auf, nahmen die Kaugummis raus und warfen den Rest in den Busch. Dann packten sie die aus der Kaserne mitgebrachten Salami-Brote aus der Seitentasche und aßen.
Aber ich schweife ab. Was hat das mit meinen langen Wochenenden zu tun?
An einem Freitagmittag war es wieder soweit: Nahrungsmittel konnten in der Küche abgeholt und zum (empfohlenen alsbaldigen) eigenen Verbrauch mitgenommen werden. Insider hatten mich vor gröbsten Fehlern gewarnt, so hielt ich mich von EPa´s etc. fern und beschränkte ich mich auf Nützliches: Kaffee.
Mit zehn Mal einem Kilo Kaffee (gemahlen) im Gepäck düste ich im 34 PS Geschoss nach Hause und freute mich aufs Wochenende.
Er lief und lief und lief…bis er dann auf einmal nicht mehr lief. Ein Schicksal, welches selbst legendären Krabbeltieren mal blühte. Es mag eventuell sein, dass meine liebevolle Behandlung des Wagens – ich sag mal: aus Geldmangel des armen Bundeswehrsoldaten – unter Umständen zu manchem Aussetzer beigetragen hat….ständiger Bleifuß (man wollte ja ein bisschen was vom Wochenende haben), Ölwechsel 10.000km über dem Soll, TÜV war Gott sei Dank vom Vorbesitzer noch erledigt, Inspektion: wie schreibt man das? …und so fort. Hauptsache, die Musik lief laut und ohne Bandsalat.
Und so stand ich dann auf einmal am Straßenrand, irgendwo am Kamener Kreuz. Hatte ich zwar dank meiner aktiven Moped-Schrauber-Zeit schon gerissene Gaszüge geflickt oder Vergaser gereinigt – bei einem zerfetzten Keilriemen war ich machtlos. Und so machte ich mich stattdessen mit der Bedienung einer dieser gelben Säulen vertraut, die man hinter den Leitplanken findet. Der gelbe Engel kam dann auch schnell angeschwebt und hatte sogar das richtige Teil dabei. Er schraubte zehn Minuten herum und meinte dann: „Sind Sie Mitglied?“ Als ich verneinte, schrieb er die Rechnung: „Macht 38 Mark fünfzig“. Ich sah in mein Portemonnaie. Außer einem Führerschein, Zulassung, ein paar Biermarken und einem erstaunlich kleinen Haufen Wechselgeld sah es düster aus. Ein Bezahlen per EC-Karte auf dem Standstreifen der A1– soweit war die Zivilisation damals technisch noch nicht. Ein typischer aktueller Zwischenstand des Portemonnaies eines Soldaten am 20. eines jeden Monats eben.
Aber da: ein Hoffnungsschimmer, woher auch immer ich die Eingebung hatte. „Mögen Sie Kaffee?“ Der Engel, jetzt schon nicht mehr so himmlisch, dachte wahrscheinlich, ich wollte ihn zur Versöhnung in die nächste Raststätte einladen. Stattdessen kroch ich auf die Rückbank und wühlte dahinter nach zwei Kilo Kaffee, gemahlen, Marke  NATO-Doppelbeschluss. „Schlimmer kann es nicht werden“, dachte ich und hielt ihm den Kaffee vor die Nase. Ein heller Schein glitt über sein Gesicht, als er seine Heiligkeit verlor. Die Rechnung – wer benötigt schon Buchhaltung – wurde kurzer Hand zerrissen. Er packte die Pakete in sein Auto. Beide glücklich und entspannt wollten wir uns schon trennen, als ich eine nochmal nachdachte….
Ab da gab es doch tatsächlich öfter mal ein Wochenende – es geschah erstaunlicherweise immer auf dem Weg in die Kaserne, nie nach Hause – an dem ich von einer gewissen Person bestätigt bekam, dass ich mit meinem Wagen auf der A1 – meist irgendwo um Ascheberg – liegen geblieben und daher nicht rechtzeitig in die Kaserne gekommen war, um das Vaterland zu retten. Einen bemerkenswerten Verbrauch an Kaffee musste er in diesem Jahr gehabt haben….
Sicherheitshalber habe ich mich vor dem Erzählen dieser Geschichte vergewissert, dass das Vergehen des absichtlichen Fernbleibens von der Truppe nach 35 Jahren verjährt ist. Und der Herr im gelben Flitzer ist mittlerweile sicher auch in Rente oder mindestens Vereins-Vorstand.