Mittwoch, 30. April 2014

Herren links - Damen rechts



Ein Klassenfoto meiner Mutter, Solingen 1932, fand sich in der Festplatte hinten links.  Ein Dokument der Zeitgeschichte lässt uns einen Moment innehalten und den Hauch von gewienertem Linoleum, Kreidestaub und einer abgebrannten Blitzlicht-Birne inhalieren.
Der Lehrer mit ordentlicher Kleidung plus Kittel drüber und dem Blick eines  eher unbeteiligten Freizeit-Pädagogen, hat es geschafft, ca. fünfzig sechsjährige Blagen für die 125stel Sekunde still zu halten, die ein sich dumm und dusselich verdienender Schulfotograf braucht, um ein Foto zu zaubern, welches von den Eltern eben dieser  fünfzig Blagen zwei Wochen später für eine Reichsmark und zwanzig im Papierrahmen freudestrahlend und ohne Mucken am Lehrerzimmer Schlange stehend erworben wird.

Ein Berufsbild mit Zukunft, bestätigte sich dasselbe Vorgehen bei Generationen nachfolgender Wander-Knipser  doch noch jährlich bis zuletzt in das Jahr 2009 für mich als Vater einer dann abiturisierenden Tochter. Die Reichsmark war der Inflation und sonstigen bekannten Einflüssen zum Opfer gefallen, aber sonst stimmte alles. Ob sich die Goldgrube auch danach im Zuge von geschätzten 30500 Selfies p.a. und Mini-Kompaktkameras für alle Schüler weiter hält, dürfen jetzt andere bestätigen.

Sonntag, 27. April 2014

Der Junge geht in die Luft


Mit zehn Jahren entdeckte ich zu ihrem Leidwesen die Deutsche Lufthansa. 

Flugkapitäne waren Ende der Sechziger Könige, streikten noch nicht und die Stewardessen sahen handverlesen aus. 

Fliegen bedeutete für mich Spannung pur, da ich zum ersten Mal mit meinen Eltern von Köln aus zu einem Konzert meines Vaters nach Berlin (West) mitdurfte. Es war auch die Zeit, in der man sogar von Köln in 15 Minuten nach Düsseldorf fliegen konnte. Wahrscheinlich flog der Pilot noch eine Runde über Wuppertal, damit sich die Reise überhaupt lohnte. Das Aeronautische war damals etwas Besonderes und noch längst nicht zu dieser Niedrigpreis-Tramperei verkommen, wie man sie heute kennt. Man kleidete sich dem Anlass entsprechend fein und flog natürlich folgerichtig auch nicht im Trainingsanzug. 

Der gute Junge also in heller Jacke und feiner Hose. Auf dem Flughafen gab es dann vorher noch eine Riesen-Bockwurst mit Brötchen und Senf. Der Start verlief ruhig, der Flug selbst leider weniger. Der Leser denkt jetzt das Richtige, daher brauche ich den Rest auch nicht en detail zu erzählen. Seit dem kann ich verstehen, dass  die Nahrungskette seitens der Caterer zumindest auf Kurzstrecken-Flügen bewußt mal abreißt. 

Ich glaube, die Stewardess war trotzdem sehr nett und es gab hinterher auch noch ein Bonbon – wegen des schlechten Geschmacks im Mund.

Freitag, 25. April 2014

Akropolis auf´m Teller

Einmal im Monat kommt er, der große Hunger. Sei es, dass man einfach zu faul zum Kochen ist oder seit den Frühstücksbroten nichts mehr in den Magen fand. Man fühlt ein tiefes, dunkles Loch, aus dem das Echo „Hunger!“ schallt. Dann müssen wir zum Stamm-Griechen.

Eigentlich heißen sie alle erkennbar gleich, entweder nach Göttern, Orten oder Inseln. Unserer heißt Delphi und jedes Mal muss ich mich an die Abi-Abschluss-Fahrt ´79 mit unserem Griechisch-Lehrer erinnern, der mit uns da wirklich keine Trümmer ausgelassen hat. Tsatsiki auf sein Haupt.

Kaum sitzen wir, werden wir mit einem Ouzo auch schon gefügig gemacht. Die Deko verlangt das, sonst würden wir zwischen den ganzen optischen Vergewaltigungen durch nackte Athene-Statuen, Wandmalereien von Naxos durch den Schwager des Besitzers und Schaffelldecken auf den Bänken sicher schon wieder gehen. Es ist wie beim Chinesen – man hat den Eindruck, alle kaufen die Deko beim gleichen Anbieter. Also, jetzt nicht die Chinesen und die Griechen, sondern – ach, Ihr wisst schon. Aber: genau, erst mal der Hunger.

Ich bleibe auch nach mehreren Besuchen mit (wirklich) ernsthaften Versuchen immer wieder bei den Grilltellern hängen. Delphi-, Ouzo-, Zeus-, Mykonos oder Akropolis-Teller und ein Tsatsiki extra für uns zwei zum Teilen. Dazu ein Retsina, ja, ich mag ihn. Auch wenn er mit Wein nicht mehr soooo viel gemeinsam hat, kann man jetzt nicht unberechtigt einwerfen.

Und dann kommt wieder der Moment, wo Kostas mit den Tellern auffährt. Ich begreife es nicht, wie man aus so wenig Geld soviel Fleisch rausholt. Salat, Pommes, ein Berg Zwiebeln, Geschnetzeltes, Gegrilltes am Spiess und Gebratenes. Alles sieht mich an und behauptet: „Du schaffst mich nicht, wetten?“ Und alles verliert. Ja, regelmäßig!

Nachtisch oder Espresso haben wir dann weder aus Kapazitäts- noch aus Gourmet-Gründen jemals in Erwägung gezogen. Da bin ich dann wieder lieber bei Alfredo oder zuhause.
Alles zusammen ist es eigentlich ein maximales Einfahren von Speisen zu minimalem Budgetschaden. Aber es muss einfach sein – einmal im Monat. Und lecker isses auch.

Donnerstag, 24. April 2014

Der Letter mit den News



Das Postfach füllt sich nach mehreren Jahren meiner Internet-Existenz ungewollt und automatisch mit immer mehr Reise-Werbung, Liebeserklärungen anlehnungs-bedürftiger Kenianerinnen, Spam und Newslettern, Millionengewinnen, 100.000$ - Jobangeboten und Erbschaftsauszahlungen aus Zimbabwe so dass man Angst haben muss, das wirklich Wichtige geht längst mit unter.
Durch den zweiten Pott Kaffee heute entsprechend wachgerüttelt, kommt mir der Gedanke, mal wieder durchzulüften im Gebälk. "Newsletter abbestellen" heißt die Devise. Auf sie mit Geklicke.
Ein Prozedere, was nicht nur gute Augen verlangt, will man unter 50 Zeilen Impressum, möglichen Adressänderungskästchen, Patentnummern des Inhabers und ähnlich für mich essenziell wichtigen Informationen den einen Satz finden, der da heißt „Newsletter abbestellen“. Nein, außer der Fähigkeit, 6 – Punkt Schrift freihändig zu entziffern, braucht es auch Geduld.
Das Beispiel einer Fluglinie sei beschrieben: anfangs von Fernweh geplagt, buchte ich diese Infos als ein Gemisch aus „Istanbul für 60,-€“, „Urlaub mit den Wüstensöhnen“ und ähnlich verheißungsvollen Angeboten. Bunte Bilder lassen einen den tristen Bildschirmalltag kurz vergessen und man taucht gedanklich ein in das Salzwasser, welches brausend an die stets sonnigen Gestade Venezuelas gleitet.
Dann aber wird es mit der Zeit zuviel Urlaub. Jeden Tag kommt so ein verlockendes Angebot und die Papierkörbe, die ich leeren muss, nerven nur noch. Gesagt, getan – jetzt wird er abbestellt, der Letter.
Gewusst wo; ich sagte es ja bereits. Nun, in diesem Fall geschickt zwischen den letzten Südtirol-Pauschalen (mit eigener Anreise) und dem bestbewerteten Hotel der südlichen Mongolei untergebracht: mein begehrter link.
Ein Klick, und man denkt: geschafft! Man ist ja auch dumm.
Ich lande auf einer Seite, wo eine durchaus sympathische rot-weiß gekleidete Stewardess lächelnd ein Schild hochhält, welches als pull-down Menü ungefähr 15 Varianten des Begehrs mir zur Verfügung stellt. Buchung/Reservierung/ Adressänderung/Meilenkarte anfordern/Privatnummer der Stewardess/ein Pfund Heringssalat/Bildschirm schwärzen/Maniküre mit Palmolive…endlich: als letztes gibt’s die Abbestellung. Man kommt sich vor wie der allererste Besucher, der es tatsächlich w a g t, die doch kostenlos und gut gemeinten Infos ungewürdigt zu zerknüllen, aussätzig eben.

Mutig klicke ich drauf. Und jetzt? Eine Weiterleitung. „Ihr Wunsch ist uns Befehl. Und obwohl Sie wirklich als Fazit den Abschaum der deutschen Touristik-Zielgruppe repräsentieren, halten wir uns natürlich an Ihren Wunsch. Aber kommen Sie uns bloß nicht nochmal mit irgendwelchen  Anfragen! Sämtliche so begehrte Super-Chill-Angebote auf den Färöern oder sogar die Postschiff-Reise nach Feuerland mit 105% Weiterempfehlungs-Quote in der Außenkabine mit Elektro-Kamin sind leider ab sofort für Sie gesperrt! Wollen Sie das wirklich?“

Ich wähle aus

- einem 15 Punkt großen „Nein, um Gottes Willen, ich bitte um Verzeihung und möchte wieder in Ihren Schoß zurück. Zum Dank buche ich sofort die 3-Tages-Einweihungstour der AIDA 12 rund um Helgoland mit Robben-Animation inclusive“,
- einem 10 Punkt großen Button „Natürlich haben Sie Recht, aber momentan habe ich kein Geld mehr und meine Frau möchte nur noch Schuhe Kaufen. Vielleicht komme ich morgen wieder auf Sie zu“
- und einem letzten Knopf in 5 Punkt-Schrift „Ja, Ihre Drohungen können mich mal. Ich kenne Ihren Chef und zahle auch schon keine Kirchensteuer mehr, rauche heimlich und gucke auf you tube die Wiener Sängerknaben. Da macht das auch nichts mehr.“
Als ich den letzten Knopf drücke, kommt eine in Grau gehaltene Seite mit schwarzer Schleife und dem Hinweis, dass man mir nun eine letzte Mail auf die denen bekannte Adresse sendet. Dort muss ich dann nur den eingebauten link noch bestätigen und werde ab sofort nicht mehr berücksichtigt, selbst wenn man eine Schlafmaske für Überlandflüge mit Air Bonn gewinnen kann.
Das schaffe ich dann doch nicht. Machen wir halt den Papierkorb einmal mehr leer.

Montag, 14. April 2014

Namibia im Mai



Wie schön, wenn man eine Tochter hat. Und man sie besuchen kann. Nein, nicht nur in ihrer Studenten-Bude , sondern bei ihrem Work&Travel- Job auf einer Farm in Windhoek. Kommt nicht alle Tage vor, aber dafür jetzt in der zweiten Mai-Hälfte. 

Mitte Februar stieg Laura, nach beendetem Studium und langen Hin- und Her- Problemen bei der namibischen Botschaft, mit breitem Grinsen in Köln-Deutz in den ICE nach Frankfurt zum Air Namibia - Flieger.
Seitdem schreibt sie in ihrem eigens dafür gestarteten Blog jedes Wochenende von Stachel-Schweinen auf der Veranda, zudringlichen Pavianen, Oryx-Steaks auf dem Grill und Reitausflügen mit Touristen durch die 10.000 ha - Farm. Jetzt freue ich mich, meinen seit den letzten Kanada-Einsätzen ungenutzt auf dem Schlafzimmer-Schrank verstaubenden Lederhut mal wieder nutzen zu können. 

Ob ich da auch auf dem Pferd lande, wird sich zeigen. Mein letztes Reiterlebnis ist schon ein paar Jahre her und beschränkte sich auf einen Schritt-Tempo gehenden Wallach in British-Columbia. Wir trotteten zu Dritt durch den Busch und der Cowboy ganz vorne meinte, uns die frischen Spuren von Grizzly-Tatzen am Baumstamm rechts und links unseres Trails zeigen zu müssen. Die Pferde würden dann schon flüchten, wenn einer käme, so sein tröstender Kommentar. Ob dann mit oder ohne mir oben drauf, musste nicht getestet werden.

Impfungen sind durch, der Reisepass reicht noch, die Fotoausrüstung ist – bis auf den Ersatz-Akku, der noch kommt – auf einem guten Stand. 

Mitbringsel für die Farmleute aus good old Germany werden in Form von Haribo und Nutella gerne gesehen. Und die kompakte Digital-Knipse für die Chefin wurde ich gebeten, hier zu kaufen. Amazon liefert anscheinend nicht bis Windhoek, auch nicht mit Drohnen.