Donnerstag, 6. Juni 2013

Bücher - Stationen einer Liebe



Erste einzelne Exemplare dieser Art zierten Anfang der Sechziger mein Wandregal im Kinderzimmer. 

Ich steigerte mich dann vom Räuber Hotzenplotz mit Wachtmeister Dimpflmoser, dem immer losen Löwen von Max Kruse über die fünf Freunde zu Karl May (Band eins bis Dingenskirchen). „Was ist was“ mit dem Liebling Tyrannosaurus Rex (Band „Dinosaurier“) war natürlich zwischendurch dabei und so ging es weiter und weiter. 
Ein Studium spielte sich in den Siebzigern noch nicht auf Festplatten und im Netz ab, sondern in dicken Skripten, handschriftlichen Notizen und echten Büchern ab (abgesehen von den parallel erscheinenden Playboy oder Penthouse Jahrgängen, wegen der Witze). Entsprechend bogen sich die Regal-Bretter. Der Umfang der „Bibliothek“ wuchs – gefiltert wurde anfangs vor Umzügen gar nicht, später noch weniger. Bis heute kann ich 16 oder 17 Umzüge zählen und mein Rekord an Umzugskartons voller Bücher liegt bei zehn, glaube ich.
Man kann gegen das Möbelhaus aus Schweden viel wettern, aber was war das Literatur-Leben vor „Billy“? Selbst bei koreanischen Bauanleitungen mit finnischen Untertiteln konnte man dieses Teil noch blind zusammenschrauben (vorausgesetzt, man fand den Inbus-Schlüssel) und  es hielt – lange. Und hält immer noch. Man baute einfach rechts oder links wieder eins dran und hatte wieder etwas Zeit gewonnen, wichtige Einzelexemplare wie „Der Schwarm“, „Das große Heckflossenbuch“ oder Marco Polo „Istanbul“(1992) zu stapeln.
Regelmäßig begann ich dann vor Urlaubsreisen, mich mit einigen neuen Kilos Reiseliteratur einzudecken. Bücher, die sich im Liegestuhl am Pool von selbst umblättern, klebende Sonnenmilch und gekippten Campari Orange vertragen und nach dem Durchlesen in der hoteleigenen „Bibliothek“ (das windschiefe Regal hinter der Rezeption links) gegen noch hochwertigere Exemplare – je dicker desto passender – getauscht werden konnten, weil die geschätzten Umfänge der Wälzer doch nur bis Ende der ersten Woche des Urlaubs reichten. Auch diese wanderten anschließend ins neueste Billy.
Aber dann !!
Ein elektronisches DIN A 5 - Konstrukt mit einer Glas-Scheibe vorne und einem wenig anheimelnden haptischen Erlebnis insgesamt erschien auf der Bildfläche von Media-Tempeln und sogar Buchhandlungen! Das Ding schluckt zwar ohne Ende Mega- oder Gigabyte an Literatur, verträgt aber k e i n e Sonnenmilch oder noch stärkeres. Man kann es nicht streicheln – jawohl, mach ich manchmal bei einem (guten) Buch. Man kann es nicht umblättern, keine Widmung hineinschreiben, keinen Wackeltisch stabilisieren, keine Eselsohren reinmachen, nicht mit Kuli markieren, nicht stapeln, keine Mücke damit erschlagen (oder nur ein Mal) und wenn man beim Lesen einschläft, fällt es runter und ist bei meinem Glück und meinen Bodenfliesen direkt kaputt.  O.k., stapeln kann man es natürlich….macht aber nicht sooo viel Sinn aus meiner Sicht.
Buch – dein Feind nennt sich kindle!! Wer möchte sich von diesen oben genannten Eigenschaften eines Soft- oder Hardcovers trennen? Ich verstehe es nicht.
Allerdings hatte dieses Ding nach seiner Einführung vor ein paar Jahren auch etwas Nützliches. Ich fing an, darüber nachzudenken, dass man dort wahrscheinlich meine gesamten Regale auf einem Stick parken konnte und ob man nun wirklich alle Jahrgänge von „Tauchen“ oder von beschriebener Urlaubsliteratur sammeln muss. Und siehe da: ich begann zu sortieren.
Böll links – Stieg Larsson rechts – Buddenbrooks links – Immobilienfinanzierung, leicht gemacht (2005), rechts.
Aber dann begann die Krux erst: wohin mit dem rechten Stapel? Bei erster unkomplizierter Annäherung an das Problem gab es noch Ideen zuhauf. Altersheim, eBay, Verschenken, Flohmarkt. Schnell eines Besseren belehrt erkannte ich, dass private und öffentliche Buchbesitzer aktuell alle mit demselben Problem kämpften. Großzügige Angebote meinerseits wurden unsanft quittiert mit "schon wieder, nein danke". eBay Artikel ruhten wie Blei. Na, und welche Bücher kann man schon gebraucht an Freunde verschenken? 
Aktuell hoch im Kurs stehen wohl diese „Wechselboxen“ oder wie sie heißen. Meist in REWE-Läden oder auch auf öffentlichen Plätzen stationierte Regale, die ein Geben und Nehmen der dort aufgereihten Schinken frei erlauben und meist betrieben werden durch Rentner und andere Personen mit großem frei zu planenden Zeitkontingent. Seit dem geh ich dort so oft Einkaufen, dass man mich schon duzt. Jedes Mal mit fünf Büchern in der Tüte rein und mit Aufschnitt wieder raus. Dezember bin ich durch, hoffe ich.
Und der linke Stapel, der bleibt natürlich.

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