Erste einzelne Exemplare dieser Art zierten Anfang der
Sechziger mein Wandregal im Kinderzimmer.
Ich steigerte mich dann vom Räuber
Hotzenplotz mit Wachtmeister Dimpflmoser, dem immer losen Löwen von Max Kruse über
die fünf Freunde zu Karl May (Band eins bis Dingenskirchen). „Was ist was“ mit
dem Liebling Tyrannosaurus Rex (Band „Dinosaurier“) war natürlich zwischendurch
dabei und so ging es weiter und weiter.
Ein Studium spielte sich in den Siebzigern
noch nicht auf Festplatten und im Netz ab, sondern in dicken Skripten,
handschriftlichen Notizen und echten Büchern ab (abgesehen von den parallel
erscheinenden Playboy oder Penthouse Jahrgängen, wegen der Witze). Entsprechend
bogen sich die Regal-Bretter. Der Umfang der „Bibliothek“ wuchs – gefiltert wurde
anfangs vor Umzügen gar nicht, später noch weniger. Bis heute kann ich 16 oder 17 Umzüge zählen und mein Rekord
an Umzugskartons voller Bücher liegt bei zehn, glaube ich.
Man kann gegen das Möbelhaus aus Schweden viel wettern, aber
was war das Literatur-Leben vor „Billy“? Selbst bei koreanischen Bauanleitungen
mit finnischen Untertiteln konnte man dieses Teil noch blind zusammenschrauben (vorausgesetzt, man fand den Inbus-Schlüssel)
und es hielt – lange. Und hält immer
noch. Man baute einfach rechts oder links wieder eins dran und hatte wieder
etwas Zeit gewonnen, wichtige Einzelexemplare wie „Der Schwarm“, „Das große
Heckflossenbuch“ oder Marco Polo „Istanbul“(1992) zu stapeln.
Regelmäßig begann ich dann vor Urlaubsreisen, mich mit
einigen neuen Kilos Reiseliteratur einzudecken. Bücher, die sich im Liegestuhl am
Pool von selbst umblättern, klebende Sonnenmilch und gekippten Campari Orange vertragen
und nach dem Durchlesen in der hoteleigenen „Bibliothek“ (das windschiefe Regal hinter der Rezeption
links) gegen noch hochwertigere Exemplare – je dicker desto passender –
getauscht werden konnten, weil die geschätzten Umfänge der Wälzer doch nur bis
Ende der ersten Woche des Urlaubs reichten. Auch diese wanderten anschließend
ins neueste Billy.
Aber dann !!
Ein elektronisches DIN A 5 - Konstrukt mit einer Glas-Scheibe vorne
und einem wenig anheimelnden haptischen Erlebnis insgesamt erschien auf der Bildfläche von Media-Tempeln und sogar Buchhandlungen! Das Ding schluckt
zwar ohne Ende Mega- oder Gigabyte an Literatur, verträgt aber k e i n e
Sonnenmilch oder noch stärkeres. Man kann es nicht streicheln – jawohl, mach
ich manchmal bei einem (guten) Buch. Man kann es nicht umblättern, keine Widmung
hineinschreiben, keinen Wackeltisch stabilisieren, keine Eselsohren reinmachen, nicht mit Kuli markieren, nicht
stapeln, keine Mücke damit erschlagen (oder nur ein Mal) und wenn man beim Lesen einschläft, fällt es runter und ist bei meinem
Glück und meinen Bodenfliesen direkt kaputt. O.k., stapeln kann man es natürlich….macht
aber nicht sooo viel Sinn aus meiner Sicht.
Buch – dein Feind nennt sich kindle!! Wer möchte sich von diesen oben genannten Eigenschaften
eines Soft- oder Hardcovers trennen? Ich verstehe es nicht.
Allerdings hatte dieses Ding nach seiner Einführung vor ein
paar Jahren auch etwas Nützliches. Ich fing an, darüber nachzudenken, dass man
dort wahrscheinlich meine gesamten Regale auf einem Stick parken konnte und ob
man nun wirklich alle Jahrgänge von „Tauchen“ oder von beschriebener
Urlaubsliteratur sammeln muss. Und siehe da: ich begann zu sortieren.
Böll links – Stieg Larsson rechts – Buddenbrooks links –
Immobilienfinanzierung, leicht gemacht (2005), rechts.
Aber dann begann die Krux erst: wohin mit dem rechten Stapel?
Bei erster unkomplizierter Annäherung an das Problem gab es noch Ideen zuhauf.
Altersheim, eBay, Verschenken, Flohmarkt. Schnell eines Besseren belehrt erkannte
ich, dass private und öffentliche Buchbesitzer aktuell alle mit demselben
Problem kämpften. Großzügige Angebote meinerseits wurden unsanft quittiert mit "schon wieder, nein danke". eBay Artikel ruhten wie Blei. Na, und welche Bücher kann man schon gebraucht an Freunde verschenken?
Aktuell hoch im Kurs stehen wohl diese „Wechselboxen“ oder
wie sie heißen. Meist in REWE-Läden oder auch auf öffentlichen Plätzen
stationierte Regale, die ein Geben und Nehmen der dort aufgereihten Schinken frei
erlauben und meist betrieben werden durch Rentner und andere Personen mit
großem frei zu planenden Zeitkontingent. Seit dem geh ich dort so oft
Einkaufen, dass man mich schon duzt. Jedes Mal mit fünf Büchern in der Tüte
rein und mit Aufschnitt wieder raus. Dezember bin ich durch, hoffe ich.
Und der linke Stapel, der bleibt natürlich.
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