Montag, 20. Januar 2014

Der Elfte im Elften und folgende



Den wohl breitesten Raum aller Feierlichkeiten über den  Jahreskalender hinweg  hat sich ein Thema gesichert, von dem man erst bei näherem Hinsehen und –lesen erfährt, dass es in seinen Ursprüngen wohl schon weit älter ist als angenommen.
Im alten Mesopotamien wurde kurz nach dem Erkalten der Erdkruste bereits zu Jahresbeginn ein siebentägiges Fest gefeiert, während dessen „kein Getreide gemahlen wurde, die Sklavin der Herrin gleichgestellt war und der Sklave an seines Herren Seite. Die Mächtige und der Niedere sind gleichgeachtet.“ Gut gemeint. Was ist nur daraus geworden...
Ab dem 11.11., 11 Uhr 11 wird zurückgeschunkelt, jedes Jahr. Damals vielleicht noch nicht, weil die Uhren noch nicht so genau gingen. Auch darf man sich nicht vorstellen, dass dort Pharao und Untermensch fröhlich eingehakt um die Pyramiden polonaisten  und Karamell-Skarabäen in die juchzende Menge feuerten. Es ging noch manierlich zu und Bier in Glasflaschen musste noch nicht verboten werden.
Erst bei den alten Römern, gab´s dann auch die ersten Gelage, Dyonisos war quasi der erste Prinz von Rom, Hinrichtungen wurden extra auf Aschermittwoch verschoben.
Am 26. Oktober 1353 wurde verdeutlicht, dass der Erzbischof Wilhelm von Gennep den Klerikern und Ordensleuten verbot, Bier und Wein zu verkaufen oder auszuschenken; das bewies, dass dort offensichtlich zu Karneval bereits ein großes Interesse an alkoholischen Getränken bestand. Im Juni 1369 wurde das Verbot wieder aufgehoben. Ab hier scheint sich die Kirche dann auch spätestens der Sache aus glaubenstechnischem und (wohl eher) kaufmännisch begründetem Anlass anzunehmen. Prompt wurde die oftmals schon ausartende Fastnacht von der Kirche als didaktisches Beispiel „geduldet“, um zu zeigen, dass die „civitas diaboli“ wie auch der Mensch vergänglich ist und am Ende Gott siegreich bleibt, wenn der Nubbel verbrannt ist.
Als der Gröfaz dann die Narrenkappe zwischenzeitlich aufhatte, war dann meist Schluss mit Lustig.  Es gab aber einige wenige Karnevalisten, die den Braunen nicht in die Hände spielen wollten. Bei Sitzungen erwarteten die Nazis den Hitlergruß; dies nutzte Karl Küpper für eine oft zitierte Nummer auf der Karnevalsbühne: Er betrat die Bühne, hob den rechten Arm und sagte zur Überraschung des Publikums: „Su huh litt bei uns dr Dreck em Keller!“ - „So hoch liegt bei uns der Dreck im Keller!“. Er hatte wohl Glück, dass es nur bei lebenslangem Redeverbot blieb.
Sitzungs-Veranstalter prügeln sich heute meist ab Anfang Januar um die Säle. Mein Kalenderjahr fing damals als Student mit ungefähr dreißig Sitzungen an, die ich gastronomisch „begleiten durfte“. Nach der dritten kannte man dann die Witze der immer gleichen Redner in der Bütt auswendig und wusste, wann man sich unfallfrei zwischen zwei „Tätää, tätää, tätää´s“ mit seinen kalten Enten auf dem Tablett in den Tischreihen bewegen konnte, ohne Gefahr zu laufen, der Frau Bürgermeister die  gemischten Substanzen in das meist zu offenherzige Dekolleté zu kippen. Ab Mitternacht, wenn alle Redner heiser und alle Zuhörer alkoholisch genug durchzogen waren, räumte man dann stückweise bis vier Uhr morgens die Leichen aus dem Saal. Pekuniär durchaus verführerisch und mit „Schmerzensgeld“ nicht schlecht beschrieben, hat diese spezielle Saison des Dazuverdienens bei mir trotzdem schlimme Blessuren hinterlassen, was die Beliebtheit von  karnevalistischen Umtrieben angeht, ob im Saal oder in Kneipen.
Es ist nach wie vor für mich beachtlich, wie Menschen es vermögen, eine über Jahre anerzogene oder sogar selbst positiv erarbeitete Kultur komplett und freiwillig auf Zuruf abzustreifen, nur weil es laute Musik, unbegrenzten Alkohol und irgendwas an Stoff um einen herum oder vor dem Gesicht gibt, was eine verlässliche Strafverfolgung nach mehr oder weniger gelungenem Balz-Akt unmöglich macht. Verlasse ich hier den objektiven Pfad der reinen Schilderung? Ich hoffe doch.
„Trommer, du musst ja nicht mitmachen!“ – Ja, Karneval hat auch eine gute Seite.

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