Den wohl breitesten Raum aller Feierlichkeiten über den Jahreskalender hinweg hat sich ein Thema gesichert, von dem man
erst bei näherem Hinsehen und –lesen erfährt, dass es in seinen Ursprüngen wohl
schon weit älter ist als angenommen.
Im alten Mesopotamien wurde kurz nach dem Erkalten der
Erdkruste bereits zu Jahresbeginn ein siebentägiges Fest gefeiert,
während dessen „kein Getreide gemahlen wurde, die Sklavin der Herrin
gleichgestellt war und der Sklave an seines Herren Seite. Die Mächtige und der
Niedere sind gleichgeachtet.“ Gut gemeint. Was ist nur daraus geworden...
Ab dem 11.11., 11 Uhr 11 wird zurückgeschunkelt, jedes Jahr.
Damals vielleicht noch nicht, weil die Uhren noch nicht so genau gingen. Auch
darf man sich nicht vorstellen, dass dort Pharao und Untermensch fröhlich eingehakt
um die Pyramiden polonaisten und Karamell-Skarabäen
in die juchzende Menge feuerten. Es ging noch manierlich zu und Bier in
Glasflaschen musste noch nicht verboten werden.
Erst bei den alten Römern, gab´s dann auch die ersten Gelage,
Dyonisos war quasi der erste Prinz von Rom, Hinrichtungen wurden extra auf
Aschermittwoch verschoben.
Am 26. Oktober 1353 wurde verdeutlicht, dass der Erzbischof
Wilhelm von Gennep den Klerikern und Ordensleuten verbot, Bier und Wein zu
verkaufen oder auszuschenken; das bewies, dass dort offensichtlich zu Karneval bereits
ein großes Interesse an alkoholischen Getränken bestand. Im Juni 1369 wurde das
Verbot wieder aufgehoben. Ab hier scheint sich die Kirche dann auch spätestens
der Sache aus glaubenstechnischem und (wohl eher) kaufmännisch begründetem Anlass
anzunehmen. Prompt wurde die oftmals schon ausartende Fastnacht von der Kirche
als didaktisches Beispiel „geduldet“, um zu zeigen, dass die „civitas diaboli“ wie auch der Mensch
vergänglich ist und am Ende Gott siegreich bleibt, wenn der Nubbel verbrannt
ist.
Als der Gröfaz dann die Narrenkappe zwischenzeitlich aufhatte,
war dann meist Schluss mit Lustig. Es
gab aber einige wenige Karnevalisten, die den Braunen nicht in die
Hände spielen wollten. Bei Sitzungen erwarteten die Nazis den Hitlergruß; dies
nutzte Karl Küpper für eine oft zitierte Nummer auf der Karnevalsbühne: Er betrat
die Bühne, hob den rechten Arm und sagte zur Überraschung des Publikums: „Su
huh litt bei uns dr Dreck em Keller!“ - „So hoch liegt bei uns der Dreck im
Keller!“. Er hatte wohl Glück, dass es nur bei lebenslangem Redeverbot blieb.
Sitzungs-Veranstalter prügeln sich heute meist ab Anfang
Januar um die Säle. Mein Kalenderjahr fing damals als Student mit ungefähr
dreißig Sitzungen an, die ich gastronomisch „begleiten durfte“. Nach der
dritten kannte man dann die Witze der immer gleichen Redner in der Bütt auswendig
und wusste, wann man sich unfallfrei zwischen zwei „Tätää, tätää, tätää´s“ mit
seinen kalten Enten auf dem Tablett in den Tischreihen bewegen konnte, ohne Gefahr
zu laufen, der Frau Bürgermeister die gemischten
Substanzen in das meist zu offenherzige Dekolleté zu kippen. Ab Mitternacht,
wenn alle Redner heiser und alle Zuhörer alkoholisch genug durchzogen waren,
räumte man dann stückweise bis vier Uhr morgens die Leichen aus dem Saal. Pekuniär
durchaus verführerisch und mit „Schmerzensgeld“ nicht schlecht beschrieben, hat diese spezielle Saison des Dazuverdienens bei mir trotzdem schlimme Blessuren
hinterlassen, was die Beliebtheit von karnevalistischen
Umtrieben angeht, ob im Saal oder in Kneipen.
Es ist nach wie vor für mich beachtlich, wie Menschen es
vermögen, eine über Jahre anerzogene oder sogar selbst positiv erarbeitete
Kultur komplett und freiwillig auf Zuruf abzustreifen, nur weil es laute Musik, unbegrenzten Alkohol
und irgendwas an Stoff um einen herum oder vor dem Gesicht gibt, was eine verlässliche
Strafverfolgung nach mehr oder weniger gelungenem Balz-Akt unmöglich macht.
Verlasse ich hier den objektiven Pfad der reinen Schilderung? Ich hoffe doch.
„Trommer, du musst ja nicht mitmachen!“ – Ja, Karneval hat
auch eine gute Seite.
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