Man ist ja kein Unmensch.
Leichthin gesagt, dass man für die Partnerin den neu gekauften Wagen zulässt,
weil sie es arbeitstechnisch einfach nicht hinbekommt. Bis der Tag näher rückt,
an dem man am Straßenverkehrs-Amt erscheinen und mit 1001 Papieren vor einem
dieser Götter im öffentlichen Dienst antreten muss.
Längst ausgestorben geglaubte
Urängste fühlt man erneut in sich aufkeimen. Bei innerer Rekapitulation der
Dinge stelle ich fest, dass mein letzter Gang zu diesem Golgatha der modernen
Zivilisation ungefähr vor 25 Jahren stattfand. Seitdem kaufte ich immer Wagen
beim Händler, die dieses Prozedere dann für mich übernahmen. Aus heutiger Sicht
sei gesagt: ich wusste es nicht genug zu schätzen!
Aber nähern wir uns der Thematik
schrittweise und notwendiger Weise optimistisch: wo muss ich überhaupt auflaufen?
Dank Internet erfahre ich, dass das eigentliche Amt momentan Urlaub hat und ich
daher ganz woanders hin muss. Hiermit ein erster Dank an moderne Technik:
früher wäre ich erst Mal umsonst durch die halbe Stadt gefahren, um dann
festzustellen, dass eben dort Urlaub herrscht.
Und jetzt kommt es: eine meiner
tiefenpsychologisch noch nicht einmal im Ansatz bearbeiteten Angst ergibt sich
aus dem Wissen um stundenlanges Warten in miefigen, abgewrackten Hallen
städtischer Massenbetriebsamkeit, an der es 300 Bittstellern ebenso geht und
die daher mit griesgrämigen Gesichtern auf Mobiliar aus den späten Fünfzigern
hocken und in kaum aktuelleren ADAC- Zeitungen blättern.
Aber!!! Nicht so mit mir!! Man
kann, wie ich auf dem Bildschirm entdecke, einen Termin im Netz vereinbaren! O.k., im pull-down Menü rutsche ich in
die 10-Minuten Bresche 10.50 – 11.00 Uhr und choose den point mit links. Ha! Vorbei
mit der ersten Existenz-Angst. Ein flüssiges Durchschreiten der vollen Hallen
mit einem Anflug von „Ich bin Privat-Patient, ich habe einen Termin“ sei mir
gewiss.
An Unterlagen zum Erhalt dieser
dämlichen zwei Stücke Blech kommen zusammen ca. zwanzig Dokumente gänzlich
unterschiedlicher Wirksamkeit voller Bearbeitungs-Nummern, Wunschkennzeichen,
SEPA Daten, Ausweise, Vollmachten, Briefe, TÜV Gutachten, AU-Bescheinigung,
noch n Ausweis. Zur Sicherheit noch die Bescheinigung, dass ich keine Kirchensteuer
zahle und mein Freischwimmer-Zeugnis. Man will ja nicht mit leeren Händen da
stehen. Und da das Ganze neben einem
Globus-Center stattfindet, fahre ich früh los, um vorher noch da einzukaufen.
Soweit die Theorie.
Ankunft 9.00 Uhr dort. Ich da so
locker zu einem Passanten: "Wo ist denn hier das Globus Einkaufs-Center?"
Unwissendes Zucken der Schultern: „Das gibt´s schon seit zehn Jahren nicht
mehr, das heißt nur noch so.“ Grrmmpf! Also kein Einkaufsbummel vorher.
Jetzt
bis 10.50 Uhr auf meinen Termin warten? No! Also ist jetzt angesagt: Begreifen
der kleinbürgerlichen Abläufe, Einwilligen in Schlange stehen und mit Geduld
wappnen.
Als erstes kriegt man eine
Nummer. Und nicht etwa wie an der Metzger-Theke von der Rolle sondern (man
merke auf!) man steht in einer Schlange, um eine Nummer zugewiesen zu bekommen,
jaha! Ungläubiges Staunen meinerseits verbindet sich aber mit Erleichterung, da
man hier nur ca. zehn Minuten steht – schon hat man eine Nummer, mit der man
dann warten darf. Der Technik sei Dank! Meine Eintrittskarte in die Heiligkeit
hat die Nummer 2135, ausgedruckt auf einem DIN A 4 Blatt von einer Dame, der
ich erst erzählen muss, dass ich ein Auto zulassen möchte. Wer hätte so ein
exotisches Ansinnen in einem Straßenverkehrs-Amt vermutet?
Von der ersten Schlange im
Vorraum darf ich nun in den hinteren Saal und mich orientieren. Zuerst denke
ich, ich bin im Parkettsaal der Düsseldorfer Börse. In der Mitte ein runder,
zehn Meter breiter Klotz mit acht Fernseh-Schirmen,
auf denen in der rechten Hälfte N24 Nachrichten in Dauerberieselung laufen, die
linke nennt die aktuell aufgerufenen Nummern. Wow! Eine Bestuhlung so wie eine
Decke aus luftig gespannten Segeltuch-Laken unter einer Glaskuppel lassen mich
eher an ein Architektur-Büro denken als an einen dieser von mir als duster erinnerten
Mief-Säle mit eingebauter schlechter Laune und Schweißgeruch.
Naja, denke ich, alles Tarnung –
das dicke Ende kommt noch. Voller Nervosität fingere ich bei Nummer 1985 auf dem Schirm ein letztes Mal durch
die Unterlagen. Dann nochmal. Und eine Stunde später ein wirklich allerletztes
Mal.
„2135, lila Gruppe, Platz 24!“
Tadaaaah! Mein Herz klopft, als ich die
Tür zum „lila Feld“ öffne. Platz 24 wird von einer Frau
bewacht, aus der man zwei machen könnte. Fi-Pu steht auf dem Schild vor der so
gar nicht asiatisch anmutenden Dame; da ist ein Doppelname auch angebracht. Jetzt
nur keinen Fehler machen! „Welche Dokumente darf ich Ihnen vorlegen, möchten
Sie einen Cappuccino, wie war Ihr Urlaub, was machen die Kinder?“
Und jetzt geht die Sonne auf, das
Glück lacht mich an: ich habe alles dabei, bin komplett, leiste eine
Unterschrift und bin wieder draußen zum Nummernschild-Empfang!
Frau Fi-Pu brauchte ganze drei
Minuten für mein Aufatmen, heißt eigentlich Frau Scheller ( Fi-Pu war wohl nur
die Abgrenzung ihrer Buchstaben- Zuständigkeit), wie mir ein zweites Schild auf
der anderen Seite verrät und ich schließe sie in mein Nachtgebet ein.
Als ich mit Schildern, Quittung,
Stempeln, und Brief das hohe Haus verlasse, ist es 10.50 Uhr. Jetzt wäre mein
internet-verbriefter Eintritt gewesen. Na, also, auch noch zehn Minuten gespart.
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