Es ist Sommer, 8 Uhr morgens, meine Terrassentür geht auf. Ein
Geräusch, welches von fast allen Hunde-Anliegern im Gut mit
wohlwollenden Gefühlen wahrgenommen wird: das Bistro “Dog Stop” ist
geöffnet.
Sobald es der ansonsten ach so anstrengende Tagesablauf
(Spaziergang, Katze jagen, Bein heben, wichtige Geschäfte erledigen
etc.) zweier Stammkunden zulässt, kommt man mal auf einen Bissen hier
vorbei: ein Stück Käse, ein Knochen vom Grill, die letzte Scheibe Fleischwurst – you name it. Ein über Jahre gewachsenes Ritual.
Dann aber erwischt mich eine verrückte Idee. Meine gastronomische
Vergangenheit, viele Sendungen mit dem Restaurant-Tester und mein
Kühlschrank mit begrenzter Kapazität lassen das Konzept wachsen: kleine
Karte ist besser!
Aus Erinnerungen an frühere Hundezeiten, bei der
sich unsere Hovawärtin jedes Mal ein Loch in den Bauch wedelte, wenn sie
eine dicke Möhre kriegte, sobald jemand wieder nach Hause kam, gehe ich
beim nächsten Einkauf an der Gemüsetheke vorbei: 1 kg 1,50€. Passt!
Testlauf 1: Der Wirbelwind Buddy. Ein Magyar Wizla-Rüde, den ich meist
als Kometenschweif an meiner Tür vorbeirasen sehe. Muskeln, kein Gramm
Fett, gute Laune. Immer etwas im Maul, was man apportieren kann. Ein
Pinguin, der quietscht. Ein Ball am Band. Tennisbälle in den
unterschiedlichsten durchgekauten Stadien der Verwesung. Die Miene sagt
immer: nun wirf mir schon was!! Es fehlt eigentlich nur der Jogging-Anzug.
Für ihn ist die Möhre, die ich aus dem Kühlschrank hole, direkt in
Ordnung. Wow, Fitness-Fressen! Gesund, knackt, reinigt die Zähne:
akzeptiert! Ab damit und auf der Wiese wird das Ding zerlegt.
Stammgast 2. Es wippt herein: Yoda, 8 jähriger Retriever-Rüde, Chef im
Ring, Herzensbrecher mit langjährig eingeübtem Augenaufschlag. Die Figur
geht ein bisschen in Richtung Türsteher. Liebt alles, was einst mähte,
muhte oder krähte und auch Käse.
„Oh, da hab ich aber was! Pass mal
auf!“ Ein Versuch von mir, den kulinarischen Höhepunkt rhetorisch
geschickt vorzubereiten. Ich halte ihm eine Möhre hin.
„?“
„Na? Ist das guuut?“
Ein Blick, als biete ich ihm einen Zweig Rosmarin an. Kehrtwende, Abgang.
Naja, man gewöhnt ältere Herren nicht ruck-zuck an neue Gegebenheiten.
Das kenne ich von mir. Aber die Routine wird´s schon richten.
Zwei
Stunden später taucht er nochmal auf. „Na, Kollege, war wohl heute
Morgen nicht dein Tag, he?“ meint sein Blick wohlwollend. "Versuch´s nochmal."
Ich hole die Möhre nochmal raus.Kehrtwende - noch entschlossenerer Abgang.
Nun fangen meine Gedanken an zu kreisen. Der arme Kerl...man ist ja auf
dem Hof auch aufeinander angewiesen...man hat einen Ruf zu verlieren...wer
weiß, was er sonst kriegt...ach, und der Blick...soll man eine
Freundschaft so einfach aufs Spiel setzen...und das wegen einer Möhre?
Tag 2: Buddy hat sich zum Möhrensüchtigen entwickelt. Er steht schon
freiwillig vor dem Kühlschrank, um sich seine tägliche Droge zu holen.
Wedel, fass, raus damit auf die Wiese, knack, fertig.
Yoda kommt. Prüfend, abwartend. Will er mir jetzt wieder mit dem Zeug kommen? Ich halte ihm ein Stück Fleischwurst hin.
Alles wieder gut! Ich steige wieder zusehends in seiner Achtung und der Blick sagt. „Na, geht doch!“
Da verzeiht man ihm auch seinen beginnenden Alzheimer, als er
nachmittags wieder im Eingang steht. „Ach, ich war heute schon hier?“
Merke: die Speisekarte muss zum Gast passen, nicht umgekehrt.
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