Dienstag, 6. Oktober 2015

Provence Teil 3



petit déjeuner, le

Wird in einem Frankreich-Urlaub morgens der aus Gründen der Nachtruhe unterbrochene Zustrom von Nahrung endlich wieder aufgenommen, so ist man als teutonischer Tourist ohne Vorwissen zunächst aufgeschmissen. Weit entfernt von den Variationen an Wurst, Schinken, Käse, Nutella, Kaffee, Tee, Müslivariationen oder gar englischen Bacon und Würstchen-Orgien hält sich der Franzose hier gar sehr bedeckt. 

Als häufiger Besucher von Hotels mit z.B. „englischem Frühstück“ bin ich da auch ganz glücklich, denn in den wenigsten Fällen konnte ich bisher  in solchen, von Gasflämmchen erhitzten Rechauds Schmackhaftes entdecken. Allzu oft blickte ich auf labberiges, halb flüssiges Rührei, in Fett schwimmenden, weichen Speck und die armen, konsistenzlosen Tomatenhälften, die man zur  wässerigen Anwesenheit  nur deshalb verdammt, damit man auf der Karte sagen konnte, das Frühstück sei komplett.

Nicht so hier: Vive la France!   

Um solchen Problemen komplett und diskussionslos aus dem Weg zu gehen, hält man sich hier an „weniger ist mehr“.  Und das ist gut so. Ein Muss dabei: Cafe au lait und ein Croissant. Punkt.
Es kommt also hier nicht so sehr darauf an, was man isst, sondern eher wo. Und da gab es auf der Reise Kontraste.  

Variante 1: Irgendwo hinter Orange auf der A7 – ohne was im Bauch – morgens um halb zehn. Ein auf längere Dauer unhaltbarer Zustand, der nach sofortigen Gegenmaßnahmen schreit, wie wir finden. Rechts in ca. zwei km taucht ein Kirchturm mit Dorf drum rum auf, welches von weitem gemütlich aussieht.  Wir biegen ab und  fahren Richtung Turm. Es ist eine Ansammlung von Häusern, die in ihrem Charme vergleichbar wäre mit einem Dorf im Harz an der ehemaligen Zonengrenze oder GAAANZ tief in der Eifel. Es gibt so weiße Flecken auf der Karte, denen man nur wünschen kann, sie wären auch weiterhin weiß geblieben. Als Bürgermeister würde ich die Vorzüge des Dorfes wahrscheinlich mit „Ruhe“  und „ursprünglich in die Natur eingebettet“ auf den Flyer drucken lassen. Wenn man viel Glück hat, kann man noch die Geschichte bemühen und irgendein armer Schriftsteller hat sich dort 1897 bei einer Übernachtung (Gedenktafel!) zu einem Gedichtband inspirieren lassen, welcher aber leider nicht den Weg in die Buchhandlungen geschafft hat.

Aber was soll´s - wir brauchen ja nur was in den Bauch. 

Bei einmaliger Umrundung und Durchquerung des Ortes stehen wir nach 20 Sekunden wieder an einer der beiden einzigen offenen Türen – eine Kneipe und einen Bäcker gibt es.
Die Kneipe empfängt uns mit warmem Neonlicht, einer Einrichtung aus den Sechzigern und den Bässen zur Chartparade irgendeines TV-Senders an der Wand. Vor der Theke hockt ein netter Mann mit wenig Haaren und viel Ballonseide um die Beine auf dem einzigen Hocker – vor ihm ein Espresso und einem der ersten Gläser Hochprozentigem des Tages. Dahinter die Wirtin, die uns zwar gerne den  Café macht, aber uns für die Croissants zum Nachbarn verweist. Dort  lassen wir uns einige aus ungefähr sieben oder acht noch warmen Croissant-Varianten in die Tüte packen und gehen zum Frühstück wieder rüber an unseren Tisch neben dem Billard.

Mittlerweile kommt auch die Postbotin mit dem Fahrrad und schon steht ohne ein Wort die heiße Tasse für sie auf der Theke. Ein paar Aktualitäten ( wer mit wem, die Kinder, das Wetter), Küsschen rechts und links, ein Schnaufen, um die Schwere des Jobs allen Umstehenden zu verdeutlichen und weiter geht´s.
So langsam tauchen jetzt die Urgestalten des Dorfes auf – man kennt sich noch von gestern Abend an gleicher Stelle und kann Themen und Getränke von gestern lückenlos wieder aufgreifen. Alles in allem ein gemütliches Plätzchen.
Cafe und Gebäck sind klasse – man fühlt sich gestärkt und weiter geht’s.
…oder so: Variante 2 (demnächst).

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