Dienstag, 31. Mai 2016

Zange trifft auf Terminal





Eine der Gründe – wenn nicht DER Grund – warum ich alte Autos liebe und fahre, ist das relativ leichte Daran-herum-schrauben mit kleinem Besteck (10-er und 13-er Maul, Schraubenzieher, Zange, Wagenheber und Radkreuz decken 70% aller Pannen ab) -  im Gegensatz zum heute notwendigen Elektronik-Baukasten incl. Laptop, wenn man mal sehen will, was er denn hat, wenn er nicht läuft. 
Ich hätte auch glaube ich gar nichts davon, wenn der Werkstattwagen an mein 75er Vehikel ein Laptop anschliessen würde, was ja nicht geht, weil da kein Anschluss ist. (Laptop? Isdattdenn?) 
Und selbst wenn: auf der "Analyse-Seite" der Homebase des Rechners säße mit Sicherheit - nach Durchlaufen aller "Solutions" und FAQ´s kein Experte, der damit noch etwas anfangen könnte. 
Leider wird dann die Reparatur mit simpelster Technik doch durch die Unbillen des elektronischen Werkstattlebens behindert und eine komplette Rückkehr in frühere Paradiese scheint unmöglich. Wie soll man auch antike analoge Prozesse erfassen, wenn die moderne EDV nicht will?


Beispiel:

Wilhelm II. sagt nach viertägigem, blöderweise nicht ausgeschaltetem Radio in der Garage keinen Mucks mehr. Die Innenraumbeleuchtung flackert beim Einsteigen noch einmal kurz auf, dann ist Ruhe im Karton. Anlassen: null Chance. 
Der liebe Jung erinnert sich nun an das stets mitgeführte Bordbesteck im Kofferraum, klemmt sich dank äußerst funzeliger Beleuchtung in der Tiefgarage eine Taschenlampe zwischen die Zähne und beginnt zu schrauben. Ausbauen der Batterie: zwei Polmuttern und zwei 10er Muttern der Halterung – fertig.

Dauer: 5 Minuten. 


Herauswuchten der schweren (88 Ampere) Diesel-Batterie von geschätzten 20 kg: ächz.

Dauer: 1 Minute.


Mit dem netterweise zur Verfügung gestellten Hyundai Atos einer Bekannten geht es zum 500 m entfernten Werkstatt-Outlet einer bekannten Kette mit drei Buchstaben.

Dauer: 3 Minuten


Batterie aus dem (tief eingesackten) Heck des Atos in die Werkstatt wuchten.

Dauer: 1 Minute


Der nette Werkstattmensch meint, ich müsste nur kurz nach vorne zur Reparatur-Annahme zum Kollegen, damit ich da den Auftrag unterschreiben kann. Ich gehe also durch die Werkstatt in den Verkaufsraum und stelle mich an.

Dauer: 1 Minute


Der Reparatur-Annahme-Kollege ist mir sofort verdächtig. Ich erkenne glaube ich in zehn Sekunden, ob da jemand Ahnung von dem Ding mit dem Bildschirm hat oder eher nicht. Hier: eher gar nicht. Bei jedem Blick auf das Glas vor ihm hat man das Gefühl, er lernt wieder etwas dazu.


„Guten Tag, der Kollege meint, ich bräuchte noch kurz einen Auftrag von Ihnen für…“ „ Kennzeichen?“ „Eh, was?“  „Ihr Kennzeichen brauche ich.“ „Ich bin nicht mit dem Auto da, ich wollte nur die Batt…“ „ Ja, ohne Kennzeichen kann ich Ihnen keinen Auftrag schreiben.“  „ Hören Sie, ich kann Ihnen gar kein Kennzeichen geben, weil kein Wagen repariert wird, sondern nur die Batterie.“   
 „ ? Ah…waren Sie schon mal hier?“ „ Ja, vor ein paar Wochen.“  Erleichterung macht sich auf dem Gesicht des Verkäufers breit. „ Dann geben Sie mir doch bitte den Namen“  Ich gebe und buchstabiere ihn ihm. Er tippt etwas in seine Tastatur und meint dann vorwurfsvoll: „Sie sind hier aber nicht drin.“   
 „ Das stimmt, ich kann da auch nicht drin sein, weil ich Ihnen den Namen ja auch vor ein paar Wochen nicht genannt habe.“  „Haben wir sie denn das letzte Mal nicht erfasst?“  „Nein.“  „Warum?“  „ Ich kann es Ihnen nicht mit Bestimmtheit sagen aber ich nehme an, weil sie Kunden, die nur eine Flasche Chrom-Politur kaufen wollen, nicht erfassen müssen!“ Langsam werde ich ihm unheimlich. Die Schlange hinter mir besteht jetzt aus vier Mann.


Der Mann wendet sich leise an seinen Kollegen neben ihm, der gerade Stoßdämpfer-Preise für einen Kunden aus dem Bildschirm sucht. Jetzt prallen mangelnde Programmierschritte des Entwerfers von Software, die Kunden ohne Namen und Kennzeichen erfassen muss, auf geschultes Praxis-Wissen langer Jahre. 
Dieser meint nur kurz: „F7 drücken“. Er drückt. Ein Papier kommt aus dem Drucker – ich unterschreibe und bin fertig.


Dauer:  8 Minuten


Über Nacht muss sich da etwas in Sachen Fortbildung getan haben, denn als ich die Batterie heute Morgen abhole (Ihr dürft raten, bei welchem Kollegen ich an der Kasse stehe?), dauert es eine Minute und 4,90€ später habe ich eine Quittung und eine volle Batterie auf dem Fahrrad-Gepäckträger.


Nach Hause rollen – einbauen –starten: fertig. I love it!

Um dem ganzen Umstand  demnächst aus dem Weg zu gehen, wäre ich für ein Kabel, mit dem man die Batterie wieder am Zigarettenanzünder aufladen kann. Wundert mich, dass da noch keiner drauf gekommen ist...


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