Oha,
meinte Herbert. Schnee!
Die ersten drei Flocken rieselten ihm deutlich
erkennbar auf die Windschutzscheibe seines 82er Diesel Automatik in
moosgrün-metallic.
Sofort bremste er von 110 auf 95 km/h runter.
Der Wackeldackel auf der Hutablage nickte zustimmend. Es schoss ihm
durch den Kopf, beim nächsten Tankstopp noch einmal den Frostschutz des
Scheibenwasch- wassers zu überprüfen. Sein immerwährender
Pirelli-Wandkalender von 1988 an der hinteren Garagenwand neben dem
grünen Gartenschlauch mit Waschaufsatz hatte es ihm schon Mitte Oktober
gesagt, dass es jetzt Zeit würde. „Wintercheck!!“ stand dort in seiner
Handschrift am fünfzehnten - mit zwei Ausrufezeichen. Aber sicher ist
sicher.
Er schlug den Oktober immer schon ein bisschen eher im Jahr
auf – meist so gegen Juni. Im Oktober räkelte sich nämlich die dralle
Blonde einladend auf dem Kühler des alten Opel Kapitän. Gleichzeitig
hängte Herbert seine Wolljacke mit den Ärmelflicken etwas weiter über
die Seite, damit Marthas Blick nicht direkt drauf fiel.
Und diese
Eintragung bedingte geradezu reflexartig präzise und nun nicht mehr
aufschiebbare Aktionen, die sich in seinen jetzt 55 Jahren unfallfreien
Fahrens – das war zum 50. Jahrestag dem örtlichen Anzeiger sogar ein
Interview wert - einfach routinemäßig eingeschliffen hatten: Termin bei
Erich zum Reifen wechseln ausmachen, Wasser mit Frostschutz auffüllen,
die karierte Picknickdecke aus dem Kofferraum, Schneeketten und
Wolldecke rein. Den grünen Eiskratzer, ein Werbegeschenk seines Optikers
(„Für den Durchblick“ stand drauf) mit den blauen Goretex Handschuhen
ins Handschuhfach. Notwendig, falls der Wagen mal tagsüber von einem
Schneesturm überrascht würde; so wie sie es immer in den Nordstaaten der
USA zeigten – neulich erst wieder. Dafür war dann auch der 20 Liter
Kanister, stets voll, immer dabei. Er erinnerte sich noch an den Winter
1977 (oder war es 78?), wo die meterhoch eingeschneiten Autofahrer auf
den Autobahnen von der Bundeswehr befreit wurden. Er hatte sich das
Ganze zwar wohlverwahrt und warm auf der Eckcouch in seinem neuen Loewe
Opta Farbfernseher in Mahagoni Design angeschaut, aber man weiß ja nie.
Nun fehlte nur noch eins. Er fuhr beim Handwerker-Markt auf den
Parkplatz. Sorgsam achtete er darauf, rechts und links neben sich einen
freien Parkplatz zu haben, damit ihm keiner mit der Fahrertür einen
Kratzer in den Lack machen konnte.
Er stieg aus, pulte ein gelbes
vertrocknetes Blatt aus dem Lüftungsgitter und ging in den Laden. Zweite
links und er stand vor dem Regal mit Autozubehör. Unten rechts hingen
die Duftbäume. Kräuter, Rosmarin, Zitrone…prüfend glitt sein Blick über
das Angebot. Kiefernnadel fehlte. Mist! Schließlich wählte er
Glühwein/Zimt.
Draußen prüfte er als erstes das Auto. Rechts neben
ihm parkte gerade eine Frau mit einem gelben Polo. Missbilligend sah er
zu, wie sie ausstieg. „Vorsicht!“ rief er, als die Tür aufging. Die Frau
hörte ihn gar nicht, da sie Kopfhörer trug und telefonierte. Es ging
Gott sei Dank alles gut.
Herbert setzte sich hinters Lenkrad und
tauschte den verblichenen Sommerduft am Rückspiegel gegen den
Glühwein/Zimt-Baum.
Jetzt konnte er kommen, der Winter.
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1 Kommentar:
Für mich kann der Winter noch nicht kommen...Habe gestern erst meine Kräuterecke mit meinem Ampel Sonnenschirm abgedeckt für ein kleines Pseudogewächshaus, aber die Holzterrasse braucht noch Vorbereitung
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