Sonntag, 16. November 2025

Die Rente oder: Dreisatz für Fortgeschrittene

 


Meine Güte, was haben sich Politiker, Finanzexperten, Gremien, Ausschüsse und sonstige wegen ihrer Bezahlung im Ergebnis streng weisungsgebundene Personen schon an dieser Frage abgearbeitet. Wie viel kann wer im Alter bekommen, wenn wie viele was vorher zahlen? Die Antwort konnten auch nur wenige akademisch hoch ausgebildete Koryphäen voraussehen: je mehr Personen viel einzahlen, desto höher kann die Rente später sein. Der alte Bismarck wusste das schon, es ist aber anscheinend nicht bis in die Neuzeit überliefert worden.

Nun war die Mathematik für mich auf dem Gymnasium immer kurz vor Raketenwissenschaften angesiedelt - wahrscheinlich bin ich deshalb Finanzberater geworden, damit es keiner merkt.  Ich schweife ab. Was ich aber heute im Rückblick darauf mit hoher Sicherheit und noch höherem Lebensalter sagen kann: Ergebnisse in Mathe und reales Leben sind zwei Paar Schuhe. Der klare Beweis dafür: der Dreisatz und eben diese Rentenfrage.

Warum nur liegt die Lösung so nahe und die Umsetzung so weit weg?

 Ich fange mal vorne an: der Mensch an sich.

Die breiten Schultern, auf denen heute unsere Sozialpolitik und speziell unser Rentensystem ruht, werden immer schmaler, wenn man genauer hinsieht. Nehmen wir zunächst die einzahlende Seite. Und da wird es auch schon dünner.

Alle Klein- und Mittelverdiener zahlen brav ihre periodisch höher werdenden Prozent-Anteile vom Brutto in die Rentenkasse. Alle? Nein, nur die, die bis zu 8.050, -€ monatlich verdienen. Wer mehr bekommt, zahlt auch nur die 19 Komma x Prozent von 8.050, -€ - und wenn er 20.000, -€ brutto oder mehr hat. Warum? Öhhhh… Wahrscheinlich, weil die es sich nicht mehr leisten können? Muss wohl.

Selbständige? Hier muss gar keiner irgendwas müssen. Naja, klar, der kriegt hinterher auch nichts. Aber das kann sich auch ganz schnell rächen und man gleitet vorsichtig in die Insolvenz bzw. Altersarmut. Da wäre eine Abgabepflicht nicht das schlechteste Sicherungsnetz.

Wer sich aber noch vom Rentensystem verabschieden darf, sind Freiberufler. Alle Ärzte, Notare, Anwälte, Architekten und, und, und können in ein separates Versorgungswerk zahlen, was deutlich höhere Renten im Alter (ca. 20-25% höher) zurückgibt. Ich gönne jedem seine hohe Rente, aber diese Zahlungen fehlen ebenfalls bei den „breiten Schultern“.

Und jetzt kommt das dicke Brett: Beamte. Keine Sozialabgaben. Trotzdem Pensionen – und die sind nicht schlecht. Wer hat sie bezahlt: der Arbeitgeber, in dem Fall der Staat. Ja, jetzt höre ich die Argumente eingeschränktes Streikrecht, geringere Flexibilität bei Arbeitsplatzwechsel und Aufgabenwahl, strenge Hierarchien und Dienstpflichten, Überstunden werden nicht bezahlt. Aber muss ein Förster beamtet werden? Ist ein Verwaltungsfachangestellter zwingend zu beamten? Und warum ein Lehrer (das aktuell Schulsystem würde sowieso ohne zusätzliche Quereinsteiger – die nicht beamtet werden – zusammenbrechen)?

All diese genannten Gruppen sitzen zu einem sehr grossen Anteil im Deutschen Bundestag. Und jetzt nehme ich Wetten an: wann wird dort eine Rentenreform beschlossen, die eine verpflichtende, übergreifende Abgabe an die Rentenkasse für alle Berufstätigen vorsieht. Und zwar von allen Einkünften, Zinsen, Mieterträgen etc. Dieses Jahr? Dieses Jahrzehnt? Die Antwort ergibt sich von selbst. Zum einen wollen Abgeordnete von ihrem Stammklientel in spätestens vier Jahren wieder gewählt werden. Und zweitens sägt sich keiner den Ast ab, der ihn momentan bezahlt. Punkt.

Ich komme – fast – zum Schluss.

Solange also dieses System darauf beruht, dass manche einen ersten Schritt machen müssen, der sehr unangenehm für Beteiligte und solche, die es werden wollen, ist, kann eine Reform, die sich wirklich so nennen darf, nicht starten.

In irgendeinem mittelalterlichen Staatsgebilde (Venedig?) gab es Entscheidungsgremien, die vollkommen unabhängig eingesetzt wurden und während einer festgelegten Zeit - zum Beispiel fünf Jahren - politische Entscheidungen treffen und durchsetzen konnten - auch die Unangenehmsten. Da sie aber nach fünf Jahren nicht wieder gewählt werden durften, ergab sich oben genanntes Problem für sie nicht. Könnte eine Idee sein.

Und jetzt kommen natürlich alle mathematisch besser zu Fußen und sagen: ja, auch wenn diese genannten Punkte im Sinne einer für alle stabilen und höheren Rente gelöst werden, haben wir nur x Komma y Prozent mehr Rente hinten raus.

Mag sein, aber da kommt für mich noch der Punkt Symbolpolitik. Fürs Volk könnte das heissen, dass sich endlich etwas bewegt. Dass man Personen wählen kann, die nicht nur auf Wiederwahl, überproportional wachsende Diäten, Vorstandsposten in Grossunternehmen oder Vorzeigetitel in der EU nach Ausscheiden aus dem Amt schielen. Nein, man hätte Personen, die sich auch mit unangenehmen Entscheidungen um die Sache bemühen.

Träumen wird man ja wohl noch dürfen.

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