uisge beatha so viel sei gesagt, kommt aus dem Schottisch – Gälischen
und bedeutet „Wasser des Lebens“.
Nicht-Schottisch-Gälische Erdbewohner – also vermutlich
ein großer Rest der Menschheit - sagen einfach Whisky. Aber das wussten Sie ja
sicher alles schon. Kaum hat man sich dieser Weisheit gewidmet, fällt einem als
gebildeter Humorist auf, dass dieser Begriff auch schon von den Franzosen
okkupiert wurde (eau de vie = Lebenswasser = Schnaps, allerdings aus Obst).
Wundert es? In beiden Fällen stelle man sich vor, dass erste dankbar aus
wahrscheinlich abenteuerlich konstruierten Apparaten empfangene Destillate den
sturmerprobten Küsten-Bauern aus der Normandie oder Bretagne mit verfeinerten
Äpfeln genauso über den kalten Winter geholfen haben wie dem schottischen
McSonstwie in den Highlands seine goldenen Tropfen aus Getreide.
Sie bringen
die Lebensgeister eben wieder, wo sie fehlen. Erst nach intensiverem Genuss
kann man dann diesen Prozess auch rückwärts verfolgen. Und wenn wir schon mal
dabei sind: „Wasser“ und „Leben“ wird - gar nicht erstaunlich - auch bei
Aquavit (aqua vitae) durchaus begrifflich kombiniert, geschmacklich dann
allerdings unter Mithilfe von Kümmel. Ich bin sicher, ähnliche Konstrukte gibt
auch im Namibischen oder bei den Inuit, möchte aber das Wissenschaftliche hier
gar nicht so auswalzen sondern dazu auf Wiki oder ähnliche links verweisen.
Als ein dem leckeren Festen und Flüssigen dieser
Welt nicht abgeneigter Konsument wundert es mich eigentlich, dass es so lange
gedauert hat, bis ich auch bei „Wasser des Lebens“ , speziell hier aber bei
Whisky - gerne mitrede. Dazu folgende Episode.
Will man guten Honig probieren, geht man zu Bienen
und nicht zum Discounter. Möchte man in gutes Fleisch beißen, sollte ein
Metzgerbesuch nicht zu weit sein, auch wenn die Kühltheken auf dem Weg dorthin
billiger und meistens näher sind. Ich weiß, wovon ich rede.
Und so war es 2006, als ich auf einen Wochenendtrip
nach Edinburgh flog. Mit vier Tagen Zeit im Rucksack und noch ohne viel Ahnung von
dem, was man da so tun sollte, stand ich irgendwann auf der Highstreet – oder Royal
Mile – mitten in der Stadt. Ich bin als Fotograf nicht so der Marco Polo „Abhaker“
sondern lass mich lieber treiben von zufälligen Blicken in Seitenstraßen oder
einfach meiner Nase. Ich liebe das englische Leben, die Lebensart und den dort
typischen Humor, daher brauche ich vor Ort kein großes Programm. Aber wie es so
geht, man ist mit Kamera und Tagesrucksack so seine drei bis vier Stunden auf
dem Pflaster unterwegs und irgendwann sagt der Magen: „Stopp!“ Es knurrt. Zeit
zur Einkehr.
Wer sich in englischen Pubs nicht wohlfühlt, hat
mein Mitgefühl. Eine bessere Mischung aus Geselligkeit, Essen und Trinken,
abgewohntem Mobiliar und glänzendem Kupfer, Glas und Holz wird man selten
finden. Der Landadel im Tweed steht da neben dem Handwerker im Overall und man
hat das Gefühl, sämtliche Castings von Rosamunde Pilcher bis Edgar Wallace und –
je nach Pub - dem Doktor und seinem
lieben Vieh umgeben einen. Es gibt zwar auch hier – speziell beim Essen –
Dinge, die ich für empfehlenswert, andere für das Gegenteil halte, aber die
Mischung macht´s. Sheperd´s Pie schmeckt – Haggis schmeckt (mir) nicht. So
hatte ich irgendwann meine zwei Lager plus Pie intus und genoss die Atmosphäre.
Es wird natürlich an Edinburgh gelegen haben, dass die Bar hinter der Theke auf
dem Regal neben den üblichen Verdächtigen eine fast unüberschaubare Menge an
Whiskyflaschen unterschiedlichster Etikettierung beherbergte. Ich schätzte sie auf
locker fünfzig bis sechzig Sorten.
Mein bisheriger Kontakt mit Whisky – oder was ich laut
Etikett dafür hielt – erstreckte sich auf zwei Stationen von früheren üblen Studentenzeit-Mixturen
(Whisky Cola) auf später folgende Einzel-Tests von Johnny´s oder Dimples aller
Art. Nicht mein Ding waren alle und führten daher in der Conclusio für mich dazu,
dass ich beschloss, das Zeug nicht zu mögen. Es schmeckte nach fauler
Gartenerde, scharf und teilweise sogar nach schon mal Gegessenem. Ich strich es
also von meiner zukünftigen Getränkeliste und konnte auch so prima weiterleben.
Hier aber – im Auge des Sturms sozusagen – war es
mir, als wäre ich vergleichbar mit einem typischen Touri, der im
Steakrestaurant in Dallas, Texas, sitzt und sich als Vegetarier outet. Und wer
will schon ein typischer Touri sein? Am wenigsten die typischen Touris!
Mein Blick fiel auf einen einzelnen Herrn an der
Bar. Weißhaarig, wohl Mitte Sechzig, Tweed Jackett, Cordhose, Modell Landadel, vor
sich ein Glas mit goldenem Inhalt. Er hätte als McIrgendwas von einem adligen
Castle durchgehen können und ich war sicher, es parkte irgendwo ein grüner Jaguar
oder Land Rover aus den Sechzigern vor der Tür.
Ich stellte mich neben ihn; wir kamen ins Gespräch.
Es ging um Themen, die immer vorkommen, wenn Deutsche und Engländer sich
unterhalten. Das Wetter, der Krieg, wer wann wo schon mal in der Weltgeschichte
war und manchmal Fußball. Bevor es zu Fußball kommen konnte und das Gespräch
dann wohl rapide abgestürzt wäre, da ich Abseits nicht mal auf Deutsch erklären
kann, wechselte ich zum Thema Whisky. Ich erzählte ihm meinen Werdegang in
dieser Richtung, erntete unverständliches Stirnrunzeln und fühlte mich gut
aufgehoben. Er, so meine Bitte, habe jetzt die wahrscheinlich nie mehr
vorkommende Gelegenheit, mich zu bekehren. Was, zum Teufel, hätte ich falsch
gemacht? Da Engländer bei gleicher Aussage immer um Zehnerpotenzen höflicher klingen
als wir, meinte er nicht „Just everything, my boy!“, sondern umschrieb es
besser mit „Es hätte sicher Möglichkeiten gegeben, eine Verbesserung hie und da
herbei zu führen.“
Zunächst winkte er das Mädchen hinter der Bar zu
uns und zeigte auf eine Flasche aus dem Etikettendschungel hinter ihr. Sie nahm
zwei Gläser und stellte sie vor uns. Wir prosteten uns zu und ich versuchte
vorsichtig, der Sache näherzutreten. Ein Himmel tat sich auf! Weich,
vollmundig, kräftig und nur so scharf, wie man es gerne schmeckte, lief das
Lebenswasser innen an mir runter. Ich war so erstaunt, dass er lachte. So müsse
Whisky schmecken, meinte er. Ich konnte ihm nur beipflichten.
Beweise im wissenschaftlichen Umfeld sind keine,
wenn der Versuch nur einmal geklappt hat, soviel ist sicher. Um der Hypothese,
es sei ein Zufall gewesen, sämtlichen Boden zu entziehen, wiederholten wir den
Versuch. Er opferte sich ebenfalls. Klare Ansage von da ab: das Zeug schmeckt.
Aber nicht, sobald „Whisky“ auf der Flasche steht, sondern sobald auch ein
Destillat, was den Namen verdient, drin ist.
Leider konnte er meine Feldforschungen nicht
weiter begleiten, da sich ja erwähnter Oldtimer noch vor der Tür befand. Und so
schieden wir in der festen Überzeugung, viel für den britisch-deutschen
Austausch getan zu haben (dem europäischen Gedanken insgesamt wollte er trotz
drittem Glas nicht weiter näher treten; Adel verpflichtet schließlich).
Immer wenn ich „meine Marke“ jetzt irgendwo
entdecke, denke ich an den alten Herrn und beneide ihn – aus genannten Gründen –
um seinen wohlsortierten Haus-Pub. Prost! Er hat mein Leben bereichert.
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