Mittwoch, 4. September 2013

Fachdeutsch



Kneipen, Krankenhäuser und auch Werkstätten haben mehr gemeinsam, als man gemeinhin als Gast, Patient oder Kunde denken könnte. 

Nein, ich meine nicht das konsequent bis zur Perfektion ausgeprägte Gewinnstreben zur Erhaltung der Art. Gemeinsam ist allen der Gebrauch von einem speziellen „Fachdeutsch“.
Alle Umsatzbringer werden in einer fachlich stark reduzierten Art auf das Objekt des geldwerten Vorteils reduziert, mit dem sie hohe Haus bereichern.

Kölner Brauhaus, sechs Mann am Tisch, Bestellungen sind erfolgt, der Köbes kommt mit Tellern voller Essen. Nun ist ein Köbes sowieso schon eine spezielle Art Mensch und erst recht Kellner. Er hat sein Revier bei dem er selbst regiert und für den kompletten Umsatz verantwortlich ist bzw. eben anteilig davon lebt. Insofern ist alles, was aus der Spur läuft, nicht nur ungern gesehen, sondern auch gern kommentiert. Gäste, die Kölsch und Halve Hahn bestellen, werden prompt und gerne bedient. Exoten, die einen „trockenen Rotwein, was haben Sie denn da offen?“ und auch noch eine „Forelle blau, aber statt der Salzkartoffeln bitte Bratkartoffeln und den Salat dazu ohne Tomaten“ bestellen, führen ein anfangs einsames Leben am Tisch. 
Wer Wasser bestellt, bekommt gerne zu hören: “Seife und ein Handtuch dazu?“ Gast: "Herr Ober, bitte ein Dunkel-Bier!" - Köbes zum Zapfer: "Mach mal das Licht aus, hier will einer Dunkel-Bier!"
Aber darauf wollte ich gar nicht hinaus. Gemeinsames der unterschiedlichen Branchen sollte ja genannt werden.
Das Essen kommt also: „Wer war das Kotelett?“ In dem Moment weiß man genau, dass man gemeint ist, auch wenn man sich nicht wie ein Kotelett fühlt. „Hatten Sie das Eisbein?“ Auch in ungeheizter Kneipe Mitte Januar ist das keine einfühlsame Frage nach dem Befinden des Gastes, das ahnt man sofort. Und ich hatte es ja nicht, sondern ich möchte es noch. Aber was soll es, man weiß, was Sache ist.
Visite im Krankenhaus, 9.30 Uhr: die Tür springt auf, gottgleich im weißen Kittel ohne Knick und Fleck: der Professor. Hoheitlich und doch mit einem Klecks Mitleid im Blick (man ist ja Privatpatient); „Sie sind der Blinddarm? Und… wie geht’s?“ „Nein, ich bin Herr Trommer und danke, es geht.“
Kfz Werkstatt, kurz vor Feierabend. Man sitzt vor einer kaputten Kaffeemaschine bei uralten Testberichten der eigenen Marke und im Hintergrund läuft ntv mit Börsen-Untertiteln.
Der Meister kommt auf einen zu und schüttelt die Hand. „Guten Tag, Sie sind der Auspuff?“ Das geht zu weit! Wenn überhaupt, bin ich der Fahrersitz.

Gott sei Dank findet man das noch nicht in allen Sparten. „Hatten Sie die Schweineohren?“ sagte noch keine Bäckerei-Fachverkäuferin zu mir. Sonst käme auch sicher ein: „Nein, die hatte ich nicht, aber Sie sollten mal an ihren arbeiten.“ ...zurück.

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