…und jeder weiß direkt,
wer gemeint ist! Halb Deutschland wuchs in den sechziger und siebziger Jahren in
einem solchen Knubbel-Käfer auf, wenn ich den Geschichten meiner Freunde und
Verwandte glaube. Jeder hat irgendeine Story parat
-
- dass man als Knirps auf langen Fahrten
immer in der Senke hinter der Rückbank schlief
-
- wie man den Großglockner im Hochsommer
damit locker bewältigte, während viel größere Wagen mit siedendem Kühler am
Straßenrand streikten („Luft kann nicht kochen“)
-
- wie man Probleme mit dem Anspringen
oft löste, indem man mit dem Hammer einfach unter dem Wagen auf den Anlasser
schlug.
Mein erster eigener
Wagen (wer hätte es nach der Einleitung vermutet?) war ein Käfer. Um genau zu
sein, eine orangeroter 1302 mit satten 34 PS – für die Kenner mit gerader
Windschutzscheibe und kleinen Rückleuchten. Es sollten später in unregelmäßigen
Abständen noch viele andere davon folgen – der letzte vor knapp fünf Jahren - zwischendurch
erwischte mich immer wieder die Sucht nach dem Insekt.
Es passierte, nachdem
ich Ersparnisse und
viele Zusatzmärker aller verwandten Familienmitglieder zum 20. Geburtstag und als gerade eingezogener Schütze Arsch in
einen ersten eigenen Untersatz investieren konnte. Falls der Russe kam, konnte ich jetzt schneller handeln und mußte mich nicht auf die Bundesbahn verlassen. Als Gutachter stellte sich
Onkel Theo - damals Gebrauchtwagenhändler in Dortmund - beim
Kauf zur Verfügung. Nach einer Probefahrt mit „starker“ Beschleunigung, noch
stärkerem Bremsen (Scheibenbremsen vorne, jawoll!) und einem kritischen Blick auf alle beweglichen Teile gab er
sein o.k. – hurra! Wenn ich mich richtig erinnere, sollte er 2.000,- DM kosten
und ich habe ihn für 1.900,-DM bekommen.
Sofort nach Kauf und
Zulassung kam es zum dann wichtigsten, was ein eigenes Auto für einen Kerl
damals haben musste. Laute Mucke! Und so brauchte man als erstes das
Radio-Kassetten-Gerät mit Boxen, dass einem die Ohren wegflogen. Laut heulende
Polizeiwagen mit Blaulicht auf Stoßstangenabstand wurden ab da, wenn überhaupt,
nur noch nach zufälligem Blick in den Rückspiegel wahrgenommen. Und auch das
nur, weil die Riesenboxen so gerade mal einen Spalt für den Blick aus der
Scheibe hinten frei ließen.
Ab da hieß es: Rheine
- Aachen in 2 Stunden, 25 Minuten – bei Rückenwind und mit Led Zeppelin auch
schneller! Highway to Hell wurde Freitags ab 14 Uhr wörtlich genommen.
MHD, es lebe hoch!
Nein, hier soll kein
Loblied auf den Malteser Hilfsdienst gesungen werden. Ich möchte einen Dank an
die Erfindung des Mindesthaltbarkeits-Datums aussprechen! Bescherte mir seine
Existenz doch so manches längere Wochenende. Now, here´s the Story!
Vorab ein kurzer
Einschub zum weiteren Verständnis der Dinge. Von Zeit zu Zeit gab es im Lager
der Truppenküche den großen Kehraus. Alle dort eingelagerten Lebensmittel, die
dazu dienen sollten, uns arme Soldaten nach Invasion der Russen noch ein paar Monate
bei Laune zu halten, wurden quartalsweise auf weitere Verwertbarkeit
untersucht. Es gab allerdings gewisse Nahrungsmittel bzw. solche, die so
genannt wurden, die der „Motivation“ der Truppe eher gedient hätten, wenn sie
gar nicht erst produziert worden wären. Ich erinnere mich da speziell und gerne
an die sogenannten EPa´s (Ein-Mann-Pakete), die einen Soldaten für einen Tag ernähren
sollten. Zu meinem Schrecken lese ich gerade in Wikipedia, dass es diese nach
nun fast vierzig Jahren immer noch gibt und spare mir daher per Copy and
Paste die weitere Inhalts- und Zweckbeschreibung (ab jetzt Zitat Wikipedia):
Die deutschen EPa
EPA-Kartons
von 1981
Inhalt einer
Einmannpackung Typ II
Für den Inhalt der EPa ist das Verpflegungsamt der Bundeswehr zuständig. Während des Kalten Krieges wurden vier Sorten der EPa
eingelagert, kurz nach der Wiedervereinigung wurde die Vorratshaltung abgeschafft. Mit der
Teilnahme Deutschlands an diversen Auslandseinsätzen wurde es wieder nötig, EPa
zu lagern. Seither sind folgende Typen in Benutzung:
Typ I:
- Fertiggericht 1: Ravioli mit Champignonsauce 300 g
- Fertiggericht 2: Indische Reispfanne 300 g
- Zwischenmahlzeit: Grießspeise mit Früchten 150 g
Typ II:
- Fertiggericht 1: Gulasch mit Kartoffeln 300 g
- Fertiggericht 2a: Ćevapčići mit Reis und Gemüse 300 g
- Fertiggericht 2b: Ravioli in Champignonsoße 300 g
- Zwischenmahlzeit: Obstsalat 150 g
Entweder Fertiggericht 1 mit 2a oder 2b kombiniert,
oder 2a und 2b zusammen.
Typ III:
- Fertiggericht 1: Hamburger in Tomatensauce 300 g
- Fertiggericht 2: Südamerikanisches Gemüsechilli 300 g
- Zwischenmahlzeit: Grießbrei mit Obst 150 g
Sonstiger Inhalt:
Der sonstige Inhalt ist immer gleich und lässt sich gegenseitig ergänzen (zum Beispiel Schokolade über Obstsalat, Schmelzkäse über Nudeln oder ähnliches).
Der sonstige Inhalt ist immer gleich und lässt sich gegenseitig ergänzen (zum Beispiel Schokolade über Obstsalat, Schmelzkäse über Nudeln oder ähnliches).
- Dosenbrot
- Hartkekse
- Wurst
- Streichkäse
- Konfitüre
- Zartbitterschokolade
- Kaugummi
- Tee-Extrakt
- Kaffee-Extrakt
- Kaltgetränkepulver
- Zucker
- Speisesalz
- Kaffeeweißer
- Wasserentkeimungstabletten (nicht mehr in allen Packungen enthalten, die Chlortabletten wurden aus gesundheitlichen Gründen entfernt)
- Streichhölzer
- Erfrischungstuch
- Mehrzweckpapier (Papierserviette/Toilettenpapier)
Zitat Wikipedia Ende,
vielen Dank.
Um es kurz zu machen:
wann immer wir im Manöver – was Gott sei Dank selten vorkam – diesen Auswuchs
an kulinarischen Negativ-Exzessen ausgeteilt bekamen, gab es zwei Arten, damit
umzugehen:
A)
Neulinge wühlten sich intensiv und
neugierig durch den Inhalt, testeten z.B. Goulasch mit Nudeln (auf dem
Esbit-Kocher erhitzt) an, stellten fest, dass sich kein geschmacklicher Unterschied
zu Grießbrei mit Obst feststellen ließ, verzogen angewidert das Gesicht,
versuchten in die Hartkekse zu beißen, erkannten schmerzhaft, warum diese so
hießen und gaben irgendwann hungrig auf.
B)
Länger gediente (ab drei Monaten)
rissen die Packung auf, nahmen die Kaugummis raus und warfen den Rest in den
Busch. Dann packten sie die aus der Kaserne mitgebrachten Salami-Brote aus der
Seitentasche und aßen.
Aber ich schweife ab.
Was hat das mit meinen langen Wochenenden zu tun?
An einem
Freitagmittag war es wieder soweit: Nahrungsmittel konnten in der Küche
abgeholt und zum (empfohlenen alsbaldigen) eigenen Verbrauch mitgenommen
werden. Insider hatten mich vor gröbsten Fehlern gewarnt, so hielt ich mich von
EPa´s etc. fern und beschränkte ich mich auf Nützliches: Kaffee.
Mit zehn Mal einem Kilo
Kaffee (gemahlen) im Gepäck düste ich im 34 PS Geschoss nach Hause und
freute mich aufs Wochenende.
Er lief und lief und
lief…bis er dann auf einmal nicht mehr lief. Ein Schicksal, welches selbst legendären
Krabbeltieren mal blühte. Es mag eventuell sein, dass meine liebevolle Behandlung des
Wagens – ich sag mal: aus Geldmangel des armen Bundeswehrsoldaten – unter
Umständen zu manchem Aussetzer beigetragen hat….ständiger Bleifuß (man wollte
ja ein bisschen was vom Wochenende haben), Ölwechsel 10.000km über dem Soll,
TÜV war Gott sei Dank vom Vorbesitzer noch erledigt, Inspektion: wie schreibt
man das? …und so fort. Hauptsache, die Musik lief laut und ohne Bandsalat.
Und so stand ich dann
auf einmal am Straßenrand, irgendwo am Kamener Kreuz. Hatte ich zwar dank
meiner aktiven Moped-Schrauber-Zeit schon gerissene Gaszüge geflickt oder Vergaser
gereinigt – bei einem zerfetzten Keilriemen war ich machtlos. Und so machte ich
mich stattdessen mit der Bedienung einer dieser gelben Säulen vertraut, die man
hinter den Leitplanken findet. Der gelbe Engel kam dann auch schnell
angeschwebt und hatte sogar das richtige Teil dabei. Er schraubte
zehn Minuten herum und meinte dann: „Sind Sie Mitglied?“ Als ich verneinte,
schrieb er die Rechnung: „Macht 38 Mark fünfzig“. Ich sah in mein Portemonnaie.
Außer einem Führerschein, Zulassung, ein paar Biermarken und einem erstaunlich
kleinen Haufen Wechselgeld sah es düster aus. Ein Bezahlen per EC-Karte auf dem
Standstreifen der A1– soweit war die Zivilisation damals technisch noch nicht.
Ein typischer aktueller Zwischenstand des Portemonnaies eines Soldaten am 20.
eines jeden Monats eben.
Aber da: ein Hoffnungsschimmer,
woher auch immer ich die Eingebung hatte. „Mögen Sie Kaffee?“ Der Engel, jetzt
schon nicht mehr so himmlisch, dachte wahrscheinlich, ich wollte ihn zur
Versöhnung in die nächste Raststätte einladen. Stattdessen kroch ich auf die
Rückbank und wühlte dahinter nach zwei Kilo Kaffee, gemahlen, Marke NATO-Doppelbeschluss. „Schlimmer kann es
nicht werden“, dachte ich und hielt ihm den Kaffee vor die Nase. Ein heller
Schein glitt über sein Gesicht, als er seine Heiligkeit verlor. Die Rechnung –
wer benötigt schon Buchhaltung – wurde kurzer Hand zerrissen. Er packte die
Pakete in sein Auto. Beide glücklich und entspannt wollten wir uns schon
trennen, als ich eine nochmal nachdachte….
Ab da gab es doch
tatsächlich öfter mal ein Wochenende – es geschah erstaunlicherweise immer auf
dem Weg in die Kaserne, nie nach Hause – an dem ich von einer gewissen Person
bestätigt bekam, dass ich mit meinem Wagen auf der A1 – meist irgendwo um
Ascheberg – liegen geblieben und daher nicht rechtzeitig in die Kaserne gekommen
war, um das Vaterland zu retten. Einen bemerkenswerten Verbrauch an Kaffee
musste er in diesem Jahr gehabt haben….
Sicherheitshalber
habe ich mich vor dem Erzählen dieser Geschichte vergewissert, dass das
Vergehen des absichtlichen Fernbleibens von der Truppe nach 35 Jahren
verjährt ist. Und der Herr im gelben Flitzer ist mittlerweile sicher auch in
Rente oder mindestens Vereins-Vorstand.
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