Montag, 10. Februar 2014

Er läuft und läuft und läuft…




…und jeder weiß direkt, wer gemeint ist! Halb Deutschland wuchs in den sechziger und siebziger Jahren in einem solchen Knubbel-Käfer auf, wenn ich den Geschichten meiner Freunde und Verwandte glaube. Jeder hat irgendeine Story parat
- wie man fünf Personen plus Gepäck für zwei Wochen Urlaub da hineingestopft bekam
-      - dass man als Knirps auf langen Fahrten immer in der Senke hinter der Rückbank schlief
-      -  wie man den Großglockner im Hochsommer damit locker bewältigte, während viel größere Wagen mit siedendem Kühler am Straßenrand streikten („Luft kann nicht kochen“)
-      - wie man Probleme mit dem Anspringen oft löste, indem man mit dem Hammer einfach unter dem Wagen auf den Anlasser schlug.

Mein erster eigener Wagen (wer hätte es nach der Einleitung vermutet?) war ein Käfer. Um genau zu sein, eine orangeroter 1302 mit satten 34 PS – für die Kenner mit gerader Windschutzscheibe und kleinen Rückleuchten. Es sollten später in unregelmäßigen Abständen noch viele andere davon folgen – der letzte vor knapp fünf Jahren - zwischendurch erwischte mich immer wieder die Sucht nach dem Insekt.
Es passierte, nachdem ich Ersparnisse und viele Zusatzmärker aller verwandten Familienmitglieder zum 20. Geburtstag und als gerade eingezogener Schütze Arsch in einen ersten eigenen Untersatz investieren konnte. Falls der Russe kam, konnte ich jetzt schneller handeln und mußte mich nicht auf die Bundesbahn verlassen. Als Gutachter stellte sich Onkel Theo - damals Gebrauchtwagenhändler in Dortmund -  beim Kauf zur Verfügung. Nach einer Probefahrt mit „starker“ Beschleunigung, noch stärkerem Bremsen (Scheibenbremsen vorne, jawoll!) und einem kritischen Blick auf alle beweglichen Teile gab er sein o.k. – hurra! Wenn ich mich richtig erinnere, sollte er 2.000,- DM kosten und ich habe ihn für 1.900,-DM bekommen.
Sofort nach Kauf und Zulassung kam es zum dann wichtigsten, was ein eigenes Auto für einen Kerl damals haben musste. Laute Mucke! Und so brauchte man als erstes das Radio-Kassetten-Gerät mit Boxen, dass einem die Ohren wegflogen. Laut heulende Polizeiwagen mit Blaulicht auf Stoßstangenabstand wurden ab da, wenn überhaupt, nur noch nach zufälligem Blick in den Rückspiegel wahrgenommen. Und auch das nur, weil die Riesenboxen so gerade mal einen Spalt für den Blick aus der Scheibe hinten frei ließen.
Ab da hieß es: Rheine - Aachen in 2 Stunden, 25 Minuten – bei Rückenwind und mit Led Zeppelin auch schneller! Highway to Hell wurde Freitags ab 14 Uhr wörtlich genommen.

MHD, es lebe hoch!

Nein, hier soll kein Loblied auf den Malteser Hilfsdienst gesungen werden. Ich möchte einen Dank an die Erfindung des Mindesthaltbarkeits-Datums aussprechen! Bescherte mir seine Existenz doch so manches längere Wochenende. Now, here´s the Story!
Vorab ein kurzer Einschub zum weiteren Verständnis der Dinge. Von Zeit zu Zeit gab es im Lager der Truppenküche den großen Kehraus. Alle dort eingelagerten Lebensmittel, die dazu dienen sollten, uns arme Soldaten nach Invasion der Russen noch ein paar Monate bei Laune zu halten, wurden quartalsweise auf weitere Verwertbarkeit untersucht. Es gab allerdings gewisse Nahrungsmittel bzw. solche, die so genannt wurden, die der „Motivation“ der Truppe eher gedient hätten, wenn sie gar nicht erst produziert worden wären. Ich erinnere mich da speziell und gerne an die sogenannten EPa´s (Ein-Mann-Pakete), die einen Soldaten für einen Tag ernähren sollten. Zu meinem Schrecken lese ich gerade in Wikipedia, dass es diese nach nun fast vierzig Jahren immer noch gibt und spare mir daher per Copy and Paste die weitere Inhalts- und Zweckbeschreibung (ab jetzt Zitat Wikipedia):

Die deutschen EPa
EPA-Kartons von 1981
Inhalt einer Einmannpackung Typ II
Für den Inhalt der EPa ist das Verpflegungsamt der Bundeswehr zuständig. Während des Kalten Krieges wurden vier Sorten der EPa eingelagert, kurz nach der Wiedervereinigung wurde die Vorratshaltung abgeschafft. Mit der Teilnahme Deutschlands an diversen Auslandseinsätzen wurde es wieder nötig, EPa zu lagern. Seither sind folgende Typen in Benutzung:
Typ I:
  • Fertiggericht 1: Ravioli mit Champignonsauce 300 g
  • Fertiggericht 2: Indische Reispfanne 300 g
  • Zwischenmahlzeit: Grießspeise mit Früchten 150 g
Typ II:
Entweder Fertiggericht 1 mit 2a oder 2b kombiniert, oder 2a und 2b zusammen.
Typ III:
Sonstiger Inhalt:
Der sonstige Inhalt ist immer gleich und lässt sich gegenseitig ergänzen (zum Beispiel Schokolade über Obstsalat, Schmelzkäse über Nudeln oder ähnliches).
  • Dosenbrot
  • Hartkekse
  • Wurst
  • Streichkäse
  • Konfitüre
  • Zartbitterschokolade
  • Kaugummi
  • Tee-Extrakt
  • Kaffee-Extrakt
  • Kaltgetränkepulver
  • Zucker
  • Speisesalz
  • Kaffeeweißer
  • Wasserentkeimungstabletten (nicht mehr in allen Packungen enthalten, die Chlortabletten wurden aus gesundheitlichen Gründen entfernt)
  • Streichhölzer
  • Erfrischungstuch
  • Mehrzweckpapier (Papierserviette/Toilettenpapier)

Zitat Wikipedia Ende, vielen Dank.

Um es kurz zu machen: wann immer wir im Manöver – was Gott sei Dank selten vorkam – diesen Auswuchs an kulinarischen Negativ-Exzessen ausgeteilt bekamen, gab es zwei Arten, damit umzugehen:
A)   Neulinge wühlten sich intensiv und neugierig durch den Inhalt, testeten z.B. Goulasch mit Nudeln (auf dem Esbit-Kocher erhitzt) an, stellten fest, dass sich kein geschmacklicher Unterschied zu Grießbrei mit Obst feststellen ließ, verzogen angewidert das Gesicht, versuchten in die Hartkekse zu beißen, erkannten schmerzhaft, warum diese so hießen und gaben irgendwann hungrig auf.
B)   Länger gediente (ab drei Monaten) rissen die Packung auf, nahmen die Kaugummis raus und warfen den Rest in den Busch. Dann packten sie die aus der Kaserne mitgebrachten Salami-Brote aus der Seitentasche und aßen.
Aber ich schweife ab. Was hat das mit meinen langen Wochenenden zu tun?
An einem Freitagmittag war es wieder soweit: Nahrungsmittel konnten in der Küche abgeholt und zum (empfohlenen alsbaldigen) eigenen Verbrauch mitgenommen werden. Insider hatten mich vor gröbsten Fehlern gewarnt, so hielt ich mich von EPa´s etc. fern und beschränkte ich mich auf Nützliches: Kaffee.
Mit zehn Mal einem Kilo Kaffee (gemahlen) im Gepäck düste ich im 34 PS Geschoss nach Hause und freute mich aufs Wochenende.
Er lief und lief und lief…bis er dann auf einmal nicht mehr lief. Ein Schicksal, welches selbst legendären Krabbeltieren mal blühte. Es mag eventuell sein, dass meine liebevolle Behandlung des Wagens – ich sag mal: aus Geldmangel des armen Bundeswehrsoldaten – unter Umständen zu manchem Aussetzer beigetragen hat….ständiger Bleifuß (man wollte ja ein bisschen was vom Wochenende haben), Ölwechsel 10.000km über dem Soll, TÜV war Gott sei Dank vom Vorbesitzer noch erledigt, Inspektion: wie schreibt man das? …und so fort. Hauptsache, die Musik lief laut und ohne Bandsalat.
Und so stand ich dann auf einmal am Straßenrand, irgendwo am Kamener Kreuz. Hatte ich zwar dank meiner aktiven Moped-Schrauber-Zeit schon gerissene Gaszüge geflickt oder Vergaser gereinigt – bei einem zerfetzten Keilriemen war ich machtlos. Und so machte ich mich stattdessen mit der Bedienung einer dieser gelben Säulen vertraut, die man hinter den Leitplanken findet. Der gelbe Engel kam dann auch schnell angeschwebt und hatte sogar das richtige Teil dabei. Er schraubte zehn Minuten herum und meinte dann: „Sind Sie Mitglied?“ Als ich verneinte, schrieb er die Rechnung: „Macht 38 Mark fünfzig“. Ich sah in mein Portemonnaie. Außer einem Führerschein, Zulassung, ein paar Biermarken und einem erstaunlich kleinen Haufen Wechselgeld sah es düster aus. Ein Bezahlen per EC-Karte auf dem Standstreifen der A1– soweit war die Zivilisation damals technisch noch nicht. Ein typischer aktueller Zwischenstand des Portemonnaies eines Soldaten am 20. eines jeden Monats eben.
Aber da: ein Hoffnungsschimmer, woher auch immer ich die Eingebung hatte. „Mögen Sie Kaffee?“ Der Engel, jetzt schon nicht mehr so himmlisch, dachte wahrscheinlich, ich wollte ihn zur Versöhnung in die nächste Raststätte einladen. Stattdessen kroch ich auf die Rückbank und wühlte dahinter nach zwei Kilo Kaffee, gemahlen, Marke  NATO-Doppelbeschluss. „Schlimmer kann es nicht werden“, dachte ich und hielt ihm den Kaffee vor die Nase. Ein heller Schein glitt über sein Gesicht, als er seine Heiligkeit verlor. Die Rechnung – wer benötigt schon Buchhaltung – wurde kurzer Hand zerrissen. Er packte die Pakete in sein Auto. Beide glücklich und entspannt wollten wir uns schon trennen, als ich eine nochmal nachdachte….
Ab da gab es doch tatsächlich öfter mal ein Wochenende – es geschah erstaunlicherweise immer auf dem Weg in die Kaserne, nie nach Hause – an dem ich von einer gewissen Person bestätigt bekam, dass ich mit meinem Wagen auf der A1 – meist irgendwo um Ascheberg – liegen geblieben und daher nicht rechtzeitig in die Kaserne gekommen war, um das Vaterland zu retten. Einen bemerkenswerten Verbrauch an Kaffee musste er in diesem Jahr gehabt haben….
Sicherheitshalber habe ich mich vor dem Erzählen dieser Geschichte vergewissert, dass das Vergehen des absichtlichen Fernbleibens von der Truppe nach 35 Jahren verjährt ist. Und der Herr im gelben Flitzer ist mittlerweile sicher auch in Rente oder mindestens Vereins-Vorstand.

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