Mit vier Jahren bekam ich mein erstes Geld. Ich hatte zehn
Pfennig und konnte damit zum Kiosk gehen, der ein paar Minuten von unserer
Wohnung entfernt lag.
Dort gab es eine Frau, die Herrscherin über ungefähr fünfzig
Glasbehälter voller Süßigkeiten war. In jedem lag etwas anderes: Lakritz
Schnecken, Gummiteufel, -bärchen, -lutscher, -fledermäuse, Mäusespeck,
Speckmäuse, Kaugummikugeln, saure Lutscher, süße Lutscher – es war zum
Verzweifeln.
Ich hätte jetzt natürlich zehn Gummibärchen kaufen und wieder
gehen können. Die hätten sicher – eins nach dem anderen andächtig abgelutscht
und intensiv geleckt - bis zum Abendessen gereicht, wenn es schon nach fünf
gewesen wäre. War es aber nicht.
Oder ich hätte mir alternativ – auch für zehn Pfennig – drei
Gummiteufel holen können. Ach, es gab jedes Mal die gleichen Überlegungen und
die Tagesform siegte. Das Endergebnis war aber immer dasselbe: ich ging lutschend, dafür ohne Geld wieder nach Hause.
Dass es Leute gab, die viel, ja, sehr viel Geld hatten,
wusste ich so richtig gar nicht. Mein Horizont für Geldbeträge wurde nach oben
bestimmt durch die Fantastilliarden in Dagoberts Geldspeicher, der ja darin
herumspringen konnte. Das Vermögen der Menschen zwischen meinem Taschengeld
hier unten und seinem Reichtum da oben war eigentlich bei allen ziemlich gleich.
Aus zehn Pfennigen wurden Jahre später irgendwann ein, zwei,
fünf oder zehn Mark. Taschengeld, was nie so lange wie die Woche oder der Monat
reichte. Aber es hatte einen hohen Wert. Für Micky Maus Hefte, Kaugummi, Eis
beim Italiener, später für Mofa-Sprit, Disko-Eintritt oder dann irgendwann
Tabak und Blättchen, Kassetten oder LP´s. So hangelte ich mich – ständig pleite
- durch die sich ändernden Konsumwelten der frühen Jahre. In der Schule gab es
dann die reichen Schüler, die sich zum Beispiel wie der dicke Jürgen jeden
Samstag im Red House nach der Schule eine Pizza bestellen konnten. Oder das
Puddingbrötchen für 1,20 DM in den großen Pausen beim Bäcker an der Ecke.
Über Lehre, Studium und Jobs gab es dann Budget-Zuwächse,
die Nullen nahmen zu und der relative Wert pro Mark immer mehr ab. Vor einer
Woche ertappte ich mich dabei, dass ich mich für einen Cent im öligen Dreck
nicht mehr bücken wollte, weil ich sehr in Eile war. Vor 50 Jahren wäre das nicht
passiert, den Gegenwert eines Gummibärchens einfach liegen zu lassen. Ich hätte
anschließend zuhause schlecht geschlafen. Aber ielleicht lag es auch daran, dass
man einzelne Gummibärchen heute gar nicht mehr kriegt?
Verschwendung wie für öffentliche Bauten, bei denen
Millionen brach liegen, weil die halbfertige Brücke irgendwo auf einem Acker in
Niedersachsen ohne Anschlüsse drum rum wieder verfällt oder Beispiele wie
Flughafen Berlin etc. lassen einen den Wert des Geldes in immer größeren
Maßstäben betrachten und nicht mehr verstehen. Eine Situation, in der fast
dreißig Millionen Steuern von einer einzelnen Person nicht gezahlt bzw.
hinterzogen werden und die darauf schließen lässt, dass irgendwo erst einmal ein Betrag
gelegen hat, auf den diese Höhe an Steuern hätte erhoben werden können/müssen,
lassen mein Verständnis von Reichtum irgendwo zerbröseln.
Die hohen Zahlen als Vermögen kann man sich vorstellen, ja.
Aber der „Grenznutzen“ der letzten dazuverdienten Million wird irgendwann so
klein, dass man Zuwächse an sich nicht mehr genießt.
Ein Gummibärchen mehr damals hingegen war ein willkommenes
Geschenk.
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