Donnerstag, 26. Juni 2014

"Nicht gehen das Ambulg?"



Reisen in Deutschland kann so einfach sein. Man steigt am Start in den Flieger / Zug / Wagen und am Ende aus. Präzise, wie wir Deutschen ja nun mal sind, ist ein Fahrplan genau, die Bahn pünktlich und das Ziel leicht zu erreichen. Bei so vielen Euphemismen streikt schon fast meine Tastatur ( sie hat das Recht dazu, sie kommt ja auch aus China ), daher komme ich jetzt lieber mit der Realität.

Ende Mai, Frankfurt Flughafen, morgens um 9.20 Uhr. Der Schreiber dieser Zeilen hat es nach zehn Stunden Langstreckenflug ohne Schlaf – das Warum erkläre ich ein anderes Mal – bemerkenswert schnell durch Zoll und Gepäckbänder zum Flughafen-Bahnhof  geschafft. Der erste Fahrplan  (hochmoderner LED-Bildschirm mit zwei Metern Diagonale und sich ständig selbst aktualisierenden Abfahrten) steht seit gestern Abend 23.15 Uhr anscheinend still und sagt seitdem nichts Neues mehr. Eine Gruppe arabischer Geschäftsleute sucht verwirrt den Info Point.
Ich bewege meinen 21,6 kg Rollkoffer (soviel wog er zumindest beim Einchecken) plus Rucksack und Fototasche und mich müde weiter, bis ich an den guten alten ausgedruckten Papier-Fahrplänen der DB ankomme. Ich erkenne, dass mein ICE in drei Minuten von Gleis 2 über Düsseldorf nach Hamburg startet.  Ein Kurzsprint lässt mich durchgeschwitzt gerade rechtzeitig zur Einfahrt des Zuges mit einem Glücksgefühl am Bahnsteig ankommen.
Fensterplatz, Abfahrt. Die ICE´s halten nicht sehr häufig auf dieser Strecke, begrüßen aber  nach einem Zwischenstopp mit Computerstimme höflich jeden neuen Gast. Die ersten beiden Male hört man noch nicht hin, weil man – home again – erstmal allen, die es gar nicht wissen wollen, smst oder whats apped, dass man wieder da ist. Erst als wir in Koblenz, glaub ich, halten, fällt mir die Stimme auf: „Im Namen der deutschen Bundesbahn begrüße ich unsere neu zugestiegenen Fahrgäste im ICE auf unserer Fahrt von Frankfurt Richtung München.“ Ein kurzer Schock – ich sitze im falschen Zug! – durchzuckt mich. Selbstzweifel folgen: wenn man das Schild „Hauptbahnhof Koblenz“ gerade beim Verlassen des Bahnhofs vor Augen hatte und von Frankfurt gestartet ist, kann irgendwas nicht stimmen. Solche Umwege macht nicht mal die DB. Eine einfache Lösung: der Computer hat die falsche Begrüßung eingelegt.
Ein mir gegenüber sitzendes japanisches Ehepaar scheint zwar etwas Deutsch zu verstehen, ist aber offensichtlich momentan geografisch doch stark überfordert. Der Vater beugt sich über den Tisch zu mir und fragt ängstlich: „ Ssug hier – nicht gehen das Ambulg?“  Als ich ihm dann erkläre, dass  der Zug zwar doch nach Hamburg fährt, aber die Festplatte Blödsinn erzählt, ist er beruhigt. Ich meine aber zu erkennen, wie  hinter seiner Stirn das Image vom präzisen, korrekten Deutschen zu bröseln beginnt.
Materieller Schaden gleich Null, aber auch hier wurde durch unseren Gleis-Monopolisten wieder ein Baustein gesetzt, der dann im Land der Morgenröte erzählt wird als: „ Schöne Züge, aber die wissen nicht, wohin sie fahren.“

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