Donnerstag, 10. Juli 2014

ALDI SÜD, 12.15 Uhr MEZ, irgendwo in Deutschland



Im Trott geh ich durch die gefliesten Gänge, den Wagen vor mir herschiebend. Ich arbeite den „Müllsäcke, Milch, Aufschnitt, Eier“-Zettel ab und frage mich jedes Mal aufs Neue, warum es bei Aldi einen Verkaufsgang zu wenig (oder zu viel) gibt. Einen muss man immer doppelt laufen.

Als alles im Drahtverhau ist, kommt das Einfädeln zum Bezahlen. Das „Wir öffnen Kasse drei für Sie“ - Jingle führt dazu, dass eine kleine, deutlich betagte Oma vor mir bei Kasse drei anlandet. Sie ist mit Einkaufsrolltasche und Aldi-Wagen gleichzeitig logistisch überlastet. Bevor sie die Schnittblumen (Strauß, 2,99€) vor der Kasse mit den mobilen Einkaufshelfern komplett vom Regal kippt, springe ich kurz ein und rette das Nötigste. Da sie vorne in der Zeit ihre beiden Weinflaschen und eine Packung Gouda aufs Band legt, bemerkt sie davon aber nichts. 

Es dauert alles etwas länger bei ihr und so habe ich Zeit, sie anzusehen. Einfache, saubere Kleidung, Gesundheitsschuhe, geschätztes Alter um die achtzig, munter aber eben langsam. Bis dahin sah ich sie nur von hinten.

Der fitnessgestählte Filialleiter-Anwärter an der Kasse sagt ihr die Summe, aber sie hört erstmal nichts. Er wiederholt und sie fängt an, in ihrem Roller lange nach dem Portemonnaie zu suchen. Ein Rumoren geht hinter mir durch die Schlange; ich warte förmlich auf den ersten Satz wie  „Das konnte ja auch keiner ahnen, dass man da vorne bezahlen muss.“ Mittlerweile hält sie dem Kassierer vertrauensvoll ihren offenen Geldbeutel hin, lächelt ihn an und er nimmt die abgezählte Summe heraus, weil sie es nicht gut sieht.  Sie dankt ihm sehr freundlich, steckt die Börse ein und fängt langsam an, alles einzuräumen. Ein Vorgang, wie er sich fast bei jedem Einkauf vor mir – nie hinter mir - ereignet. Von dem Murren und Geraunze hinter mir bekommt sie dank Hörschwäche nichts mit, ist vielmehr auch komplett in Gedanken versunken.

Sie wendet sich ab, vergisst eine der Weinflaschen an der Kasse. Ich nehme sie kurz, tippe die Dame an und gebe ihr die Flasche. In diesem Moment zeigt sie mir ihr Gesicht, strahlt mich wahnsinnig herzlich an und sagt voller Dankbarkeit, als wäre damit alles erklärt: „Ich werde nämlich morgen einundneunzig!“  

Ich habe so lange Zeit, diesen Blick zu genießen, bis es von der Seite wieder heißt: „Bar oder Karte?“

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