Donnerstag, 7. August 2025

Uhrzeiten zu Ur-Zeiten

 

Wenn du mein Alter erreicht hast und schon seeehr lange scrollen musst, bis im pull-down Menü das eigene Geburtsjahr auftaucht, wirst du dich an so manches erinnern, was mittlerweile einfach untergegangen ist. Nein, ich rede nicht von der Titanic - soo alt bin ich nun auch nicht. Ich rede zum Beispiel von Uhrzeiten, die im Tagesverlauf bestimmter Jahre einfach einen bestimmten Stellenwert hatten.

Mein Weckruf morgens kam um 7 Uhr – entweder anfangs noch von meinen Eltern, später dann nur noch vom Radio-Wecker. Fertig machen: Schule! Das war nicht nur mit gefühltem viel zu frühem Aufstehen verbunden, sondern auch mit den plötzlichen Einfällen, was der Tag so bringen würde: Mathe-Arbeit in der Ersten (zu wenig geübt), Hausaufgaben (von Latein fehlte noch die Hälfte), und Geigenstunde um 3 (vorher nochmal die Etüde von letzter Woche ansehen). Was konnte aus d e m Tag schon noch werden…

8 Uhr: Schulbeginn. Mit den oben genannten, täglich wechselnden Imponderabilien.

Jahre später dann beim Bund: 9 Uhr – „NATO-Pause“. Gewehr in die Ecke gestellt, Zigarette gedreht und „Feuer frei“ (für Raucher). Für eine Stunde Freiheit von „Stillgestanden“-, „Antreten“ - oder „Augen rechts“ – Quälgeistern in Grün.

Wechselnde Zeiten über den sonstigen Vormittag hatten keine so festen Anker. Oder hab` ich was vergessen? Dann bitte melden!

Meine Eltern plus Umfeld pflegten die heilige „Mittagszeit“ zwischen 13 und 15 Uhr. Mittagessen, dann ruhten sie auf dem Sofa oder im Bett. Kein Telefon bitte! Kein Rasenmähen! Und der Junge lässt bitte den Plattenspieler mit Deep Purple aus!

Und dann kam mit 18 Uhr die heilige Zeit: ab jetzt war´s billiger! Ach so…was denn? Na, das Telefonieren! Sämtliche Nicht-Ortsgespräche liessen die Zählwerke der Deutschen Bundespost – dem einzigen Anbieter für kabelgebundene Kommunikation damals - auf einmal langsamer laufen. Auch die meist kaputten oder zumindest arg von innen beschmierten gelben Telefonzellen ließen die Groschen und Markstücke langsamer durchrattern. Und so fanden erst ab da alle Telefonate mit Omas in Dortmund und Wuppertal oder Freunden in Hannover und München statt.

Und nochmal kurz zu 18 Uhr: das Fernsehen begann mit dem „Intermezzo“ im Ersten. Serienzeit für so harmlose Sachen wie „Belphegor“ oder „Graf Yoster gibt sich die Ehre“. Außerdem das Nachrichtenmagazin „Hier und Heute“, in dessen Vorspann die Aufnahme eines Durchflugs zwischen den beiden Türmen des Kölner Domes zu sehen war. Von wegen Drohne! Der Hubschrauber war´s. An was man sich doch alles erinnert.

Und wenn man sich dann am Telefon verquatscht hatte und zu lange in der Leitung hing, drohte neues Ungemach: Ladenschluss!

Jetzt aber schnell! Um 18.30 Uhr war Feierabend für den Einzelhandel. Gehetzte Hausfrauen allerorten. Bis dann irgendwann so um 1989 ein schlauer Mensch auf die Idee kam, dass man auch danach noch Hunger hatte. Dann kam der „lange Donnerstag“ (Ende um 20.30Uhr).

Ein paar Heiligtümer kommen noch.

20 Uhr: Deutschland sitzt vor dem Bildschirm und sieht Karl-Heinz Köpcke, den „Mister Tagesschau“. Was die Welt bewegte, musste da geguckt werden, denn wer zu spät kam, hatte keine Mediathek, keine sonstigen Kanäle. Es gab nur drei davon (wir hatten ja nichts).

Und hatte man sich dann ab 20.15 Uhr durch Tatorte, Aktenzeichen XY oder Spielfilme gearbeitet, wurde man spätestens um Mitternacht wach, wenn es endlich hieß: Sendeschluss! Der zeigte sich mit einem unangenehmen Dauerton und dem sogenannten „Testbild“ – ein Standbild mit einer wirren Mischung von Mustern, zunächst in schwarz-weiss, später grell-bunt.

Was ist seit damals geblieben? Wenig.

Schulzeiten sind flexibel, da oft vieles ausfällt. Alternative: Home Unterricht per Internet.

„NATO-Pause“? Wie lange es noch die komplette NATO gibt, lassen wir hier mal undiskutiert.

Mittagszeit? Im Zuge von Mails, SMS, whats app etc. eigentlich nicht mehr existent. Es lebe die 24/7 - Erreichbarkeit.

Telefonieren? Rund um die Uhr zu Null Kosten, kann man sagen – sogar mit Bild.

TV - Zeiten? Alles ist immer da. Und ist man selbst nicht da, hat man es in allen Kanälen auf ewig greifbar.

Schade. Es war nicht alles schlecht. 

Aber was es zumindest hier jetzt von mir erst mal gibt:

                                                           Sendeschluss


 

Keine Kommentare: