Donnerstag, 29. August 2013

Italien, Lande der Sonne - Teil 4: Feste feiern



Teil 4 kommt bei mir nach Teil 5, aber es geht ja auch um Italien…

Toskana, später Nachmittag, Hitze, Hunger und eine lange Autofahrt. Aus diesen Variablen setzt sich unser Wunsch nach einem schattigen Plätzchen mit Speisekarte und Wein vor dem Bauch zusammen.
Gedacht, getan, das nächste Städtchen muss dran glauben.
Es liegt oben auf einem Hügel und bietet nicht nur eine tolle Aussicht auf die Umgebung sondern auch irgendwas im Innern, was bis jetzt nur Lärm macht, aber nicht zu sehen ist. Beim Näherkommen erkennt man: es wird gefeiert. Die Piazza ist rammelvoll – ein Kinderfest mit Tauziehen, Sackhüpfen und fotografierenden Eltern im Siegestaumel: es geht schwer zur Sache. Ein Mikrofon mit Gianna Nannini Sandpapier-Stimme brüllt Startsignale und die letzten Ergebnisse.
Ob nun Piedro oder Lucca vorne liegt, ist uns so was von egal, denn im Hintergrund rechts erkennen wir unsere Oase: eine Trattoria. Der gebräunte „Chefe“ hat sich mit gegeltem graumeliertem Haar im gefährlich gespannten Shirt davor aufgebaut und zeigt uns direkt zwei schattige Plätze. Er hat deutlich gute Laune, macht er doch heute Abend wahrscheinlich seinen Jahresumsatz. Wie wir schrittweise begreifen, ist die gesamte momentan nicht befeierte Piazza schon mit seinen Tischen und Stühlen gepflastert und gedeckt. Ich schätze auf 300 Plätze. Es gibt nur ein Menü und wir trauen unseren Augen nicht: Pasta mit Gamberetti vorab, Schweinebraten und Bratkartoffeln folgend, dann von Mamma fabrizierte Tiramisu; das Ganze incl. Wasser und einer Flasche Wein für 18 Euro. Hier sind wir richtig.
Bevor die Bestellung überhaupt aufgenommen wird, werden wir allerdings eingeweiht: bezahlt wird vorab, bar. „Iste specielle Tage heut!“ Der Mann weiß Bescheid.
Quittungen, Belege etc. werden an diesem „spezielle Tage“ nicht bemüht, die fünf Kellner haben schließlich Besseres zu tun, denn jetzt sind die Siegerehrungen vorbei und das Volk strömt zum Essen. Circenses waren, jetzt kommt das panem.

Befürchtungen, dass ein Wein, der hier mehr oder weniger als Zugabe zum Essen gereicht wird, mangels Zustimmung am besten in den Topf mit der Agave neben mir gegossen werden sollte, zerstreuen sich beim ersten Schluck. Der schmeckt auch noch!
Das Fest hat anscheinend irgendeinen religiösen Hintergrund, denn auf dem Platz wird nun an einem Kran ein Fass mit brennendem Weihrauch in der Größe einer Abrissbirne hin und her geschwenkt. Der Wind für uns steht Gott sei Dank günstig. Außerdem trägt eine handverlesene Schar tapferer Senores bei heiliger Musik eine vier Meter hohe Puppe, die aussieht wie Rübezahl im Abendkleid, über den Platz neben eine dort aufgebaute Bühne. Von dort hat er den weiteren Verlauf im heiligen Blickfeld.
Und das lohnt sich! Wir haben gerade Tiramisu und Espresso geschafft, als eine Band die Bühne besetzt, deren Jugenderlebnisse ich parallel zu den Charts mit Ballroom Blitz, Jeepster oder Smoke on the Water einsortieren würde. Und die legen los, als gäb´s kein Morgen. Omas sitzen in der ersten Reihe, Vierjährige tanzen als erste. Genesis, Joe Cocker, Yes, all die best of, die man erwartet, kommen auch – man ist begeistert.
Da muss ich natürlich auch mal „backstage“ und ein paar Bilder schießen. In der Zeit zählt der Padrone seine Kasse durch, den Grappa neben sich. Eine in allen Fragen beseelte Rückfahrt schließt den Tag.

Dienstag, 27. August 2013

Italien, Land der Sonne Teil 5: Schilder und Aufkleber



Die Theorie, die ich in Teil 3 zu den recycelten Pizzablechen vertreten habe, bestätigt sich nicht nur bei Schildern zu Verkehrsregeln. 

Auch andere Hinweise, die - für wen auch immer – passend oder sinnvoll sein könnten, werden in Blech gestanzt und teilweise inflationär an Wände und Masten gepinnt.
Ist man also im Urlaub auf der Suche nach einem Schwimmbad, Grafik-Atelier, Krematorium, Hundesalon  oder Restaurant: hier kann geholfen werden! Trifft man an einer Ampel  auf eine solche volle Häuserwand im Blickfeld gegenüber, so hat man eine Rotphase lang Zeit, zu studieren. Bei Grün sieht´s eher schlecht aus: entweder man bleibt einfach stehen und liest (Hupen und wildes Gestikulieren aller Verkehrsteilnehmer inklusive gebrüllter Phrasen, in denen  „deutsch“ vorkommt, sind einem gewiss) oder man fährt ordnungsliebend und pflichtbewusst weiter, ohne den nachfolgenden  Verkehr lahm zu legen. Dann weiß man aber nicht, ob man den tollen empfohlenen Italiener, der dieses gigantische Risotto kann, verpasst hat.
Ganz im Gegenteil die folgende Situation: man verlässt in einem der schönsten Autofahrgebiete der Welt die Autostrada, um sich ganz den Haarnadelkurven des Chianti zu widmen. Der nächste Ort ist ja sooo schön beschildert. Diese Kurven tragen einen dann bei Knallhitze in Richtung Siena…meint man. Jetzt kommt lange …ganz lange…nichts. Kein Schild, kein sonstiger Hinweis. Wahrscheinlich wollte man das schöne Landschaftsbild nicht verhunzen.
Und dann die T-Kreuzung.
Mit nichts als einer Straße rechts und einer Straße links. Und wenn man Glück hat, gibt es doch ein Schild, und das zeigt Siena in die Richtung an, aus der man gerade gekommen ist. Seufz.
Eine andere Variante in Sachen Hinweise: Restaurants scheinen auf dem Standpunkt zu stehen, dass man Touristen am besten zum Eintritt bewegen kann, wenn viele Sternchen, Fähnchen oder Sonnenschirmchen aus Tests von 1994 bis heute an die Fenster geklebt werden. Dass sämtliche Arten von Plastikkarten akzeptiert werden, der Raum klimatisiert ist und man auch als Mitglied des Porscheclubs Lüneburg gern gesehen ist, muss ebenfalls dokumentiert werden. Sitzt man dann in einem solchen Restaurant ist es zunächst mal eines: duster. Licht musste Aufklebern weichen.
Deswegen schimmert dann der Wein, den man trinkt und noch eine Flasche mit nach Hause nimmt, hier auch nicht so dunkel wie im Urlaub.



Samstag, 24. August 2013

Italien, Land der Sonne Teil3: der Strassenverkehr



Italienische Autofahrer haben ja von jeher den Ruf weg, sich auf einer Ebene der Straßen-Beherrschung wie Franzosen zu bewegen: je lauter die Hupe desto biegsamer die Regel. 

Ich bin in Aachen groß geworden und da gab es in den Siebzigern noch dieselbe Imagewerbung für die Belgier, weil sie angeblich den Führerschein nach einem Wochenende bescheinigten aufmerksamen Beifahrens ohne Alkohol überreicht bekamen. Beim Anblick von roten Nummernschildern (vor oder hinter einem) fuhr man lieber erst mal rechts ran.

Wer nach Italien will, kommt durch irgendwelche Tunnel. Diese haben eine doppelte (!!) durchgezogene Linie in der Fahrbahnmitte, mindestens alle zweihundert Meter ein beleuchtetes 50km/h oder 80 km/h Schild und den deutlichen Hinweis, erstens jetzt endlich langsam zu fahren oder zweitens beim geblitzt werden nett zu lächeln.

Frisch mit 55,5 km/h (ein bisschen Spiel ist ja auch hier immer) in einen solchen dunklen, engen, langen, lauten Tunnel eingefahren, wunderte es mich als tapferer Teutonen-Tourist nicht wenig, als mich erst mal ein Horde Ducatis ohne Schalldämpfer und ein paar Alfas (rot natürlich) mit einem Geheul rechts quasi stehen ließen, dass ich meinte, ein Flattern meiner Scheibenwischer bemerkt zu haben. (Kann Gummi Angst haben?).
Anscheinend gehen Tifosi in Kenntnis ihrer Staatsführung davon aus, dass Hinweisschilder, um aus der Euroschulden-Krise wieder raus zu kommen, aus Kostengründen einfach aus recycelten Pizzablechen bestehen, und davon hat man ja eh zu viele. Also: gar nicht ignorieren. Und die Doppel-Linien am Boden werden wohlwollend unter „Kunst am Tunnel“ verbucht.

Nach zwei Wochen aktiver Teilnahme am Verkehr auf dem Stiefel muss ich Abbitte leisten. Vielmehr stelle ich fest, dass gewisse Akklimatisierungs-Prozesse meinerseits zu notieren sind.

Im Zuge der späteren Roadster Touren durchs äußerst schöne und kurvenreiche Chianti entwickelte sich mein Fahrstil von Tag zu Tag ins Mediterrane. Bleche und Linien wurden wohlwollend zur Kenntnis genommen und an die aktuell zu beobachtende Verkehrslage angepasst; das versteht man so ungefähr qua definitionem unter Intelligenz, und wer will sich da ausschließen? Und so kommt der Tag, an dem man den ersten blöden Touristen aus Emden überholt, weil der da so kriecht, nur weil ein Schild ihm das sagt.

Eine ergänzende Mitleidsbekundung mit den italienischen Autofahrern sei erlaubt: wer je über italienische Brücken der Autostrada fuhr und die aus Deutschland bekannten, aber selten als störend erlebten Dehnungsfugen überfuhr, der meint an denen im Süden nachweisen zu können, dass die Kontinentaldrift eindeutig noch nicht beendet ist. Es sollen in diesen Lücken auch schon 500er FIAT verschwunden sein.

Freitag, 23. August 2013

Italien, Urlaub im Land der Sonne Teil 2: das Eis



Man sieht’s an der Historie: Die erste Eisdiele soll 1668 Francesco Procopio de Coltelli, ein ehemaliger Koch des Sonnenkönigs Ludwig IX., in Paris eröffnet haben. Am Namen kann man schon erkennen, dass der Herr nicht aus Finnland stammte. Ein Italiener also, in diesem Fall Sizilianer, fing damit an und es gab wahrscheinlich nur Zitrone und Erdbeer im Kristallbecher ohne Streusel und Schirmchen.




Das erste Eiscafé in Berlin – das Eiscafé Monheim – eröffnete übrigens 1928; es steht bis heute an derselben Stelle. Von den 4000 heute betriebenen Eisdielen in Deutschland sind 3000 in der Hand von Gelatieri aus den Dolomiten. Aber das wussten Sie ja bereits.
Kein Tourist kommt im Italien-Urlaub drum herum, dort aus den bis zu 40 Eissorten einmal - mindestens – seine Mischung zusammenbasteln zu lassen. 

Aber die Mühe der Entscheidung fängt schon viel früher an: wer schon mal bei gefühlten 40 Grad im Schatten durch San Gimignano oder Arezzo pilgerte und sein Heil neben unzähligen Aqua Minerale frizzante in einer dieser kalten Kugeln suchte, steht zunächst in der Sonne und auch vor dem Problem, welche Eisdiele es denn sein soll. Man macht es einem aber auch nicht leicht!
Qualifizieren sich die besten Gelaterien nicht nur durch die längsten Schlangen davor (meint man), sondern auch durch mindestens einen plakativen Zusatz, der einem klarmachen soll, dass es nun wirklich so was von daneben wäre, beim Nachbarn anzustehen.
„First home made in town since 1924“, „Best ice cream in the world“, “Winner of the Competitione de Gelatieri in 2007, 2008 and 2010” und so weiter. Mein mühsam erarbeiteter gastronomischer Tip: ene, mene, dab und du bist ab… auszählen und rein.
Verlagern wir das Ganze doch gedanklich mal kurz nach Alemania und stellen uns trotz der Hitze vor, die besten Gyros- und Dönerbuden kämpfen in einer Großstadt um Anerkennung.
„Bestes Gyros in Köln“: sofort steht das Gewerbeaufsichtsamt vor der Tür und man muss sich auf ein „wahrscheinlich“ bestes Gyros einigen, wie beim Duplo.
„Sieger im weltweiten Wettbewerb der besten Dönerspiess-Brater 2009 und 2011“: alle gehen zum Nachbarn, weil man für 2012 ja nicht wissen kann…Gammelfleisch und so.
Jaja, der Deutsche neigt eben zuhause zur Vorsicht und im Urlaub zur Nachsicht.