Freitag, 28. Juni 2013

Klein - aber immer noch Oho!



Der letzte Sonntag im Juni – traditionelles Datum für das Jahrestreffen des „KOTZ e.V.“ (Kleingartenzwerge ohne technisches Zubehör). 

Auch dieses Jahr erwartet man über 150.000 Gäste aus nah und fern im Gewächshaus des Frankfurter Palmengartens, die sich bei Gastvorträgen  zu aktuellem Geschehen rund um die Gartenwelt  auf den letzten Stand der Ereignisse im Grünen bringen lassen wollen.
In guter Tradition wird Zwergen - Obmann „Hans im Glück“ aus der Kleingartensiedlung „Grüner Daumen“ in Osterode mit seinen  mittlerweile 92  Jahren die Eröffnungsrede halten. Sein  Thema „Klimawandel im Zier-Garten aus der Sicht eines Outdoor-Experten“ dürfte Sonntag wieder einen Meilenstein in der fast einhundertjährigen Vereinsgeschichte darstellen.
Unterhaltung im umfangreichen Rahmenprogramm verspricht neben der neu einstudierten Fassung von „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ auch eine Abordnung seltener Individuen der „Lack und Leder-Fraktion“. Leider überlebten aus dieser in den Neunzigerjahren erschienenen Gattung nur vereinzelte Kollegen, da ihr Äußeres bisweilen zu Krach zwischen manchen Nachbarn führten und Opfer nächtlicher Attentate oder Raubzüge wurden.
Politik im Garten – mit ein  zentrales Thema. So sucht man noch kurzfristig Freiwillige für die Nachbildung der Regierungsmannschaft als permanente Ausstellung im Empfang, scheiterte aber bis jetzt an der Nachbildung eines Rollstuhls im Kleinformat.
Weitere zahlreiche Anmeldungen zu Vorträgen wie „Robotermäher auf der Rasenfläche – Verkehrsraudis ohne Steuermann“, „Rheumasalben im  Langzeit-Test“ oder „Das nächtliche Balzverhalten rheinischer Kleingärtner – ein unfreiwilliger Beobachter berichtet“ zeigen das nicht nachlassende Interesse der Mitglieder.

Im Zuge der Elektrifizierung und Nutzung von Solarprodukten unterschiedlichster  Discounter  sind die Ursprünge des Gartenzwerges als einfache, aber zuverlässige Tonfigur des deutschen Vorgartens  in den Hintergrund gerückt. Quakende Solarfrösche,  Flusssteine als Bewegungsmelder , Weihnachtsbeleuchtungen im Megawatt-Bereich und ähnliche umstrittene Stromfresser führen im Gegenzug bei manchen alten, schon arthritischen Genossen dank der permanenten Feuchtigkeit im Garten zu manchem Dauerkribbeln. All diese Imponderabilien, neben den üblichen pinkelnden Hunden, auf Mützen pickende Elstern und langen Wintern mit Schneehöhen oberhalb der Angelrute machen das Leben nicht leichter.
Auch wenn die meisten der rund 20 Millionen Mitglieder bundesweit nie Gelegenheit hatten, Fernsehen zu erleben, ist doch Philosophie zur Bewältigung mancher Langeweile im Alltag allgegenwärtig. So soll in einer Umfrage geklärt werden: „Der Kosakenzipfel – eine stille Hommage an uns durch Vicco von Bülow?“
Ende der Veranstaltung wird gegen 23 Uhr sein. Ab 23.20 Uhr wird gemäht.

Montag, 17. Juni 2013

50 Jahre unfallfrei




Tja, das war mein Opa, der damit automatisch in den Himmel derer einrückte, die vom ADAC die goldene Ehrennadel erhielten. Wie der Verein das ca. 1980 herausgekriegt hat, weiß ich bis heute nicht. Auf jeden Fall hatte die Nadel einen ständigen Ehrenplatz am Revers.

Nun muss man sich mal zurückversetzen und sich die Hauptstraße von Posemuckel zwischen 1930 und 1980 vorstellen. Anfangs hieß sie wahrscheinlich noch nicht mal so, da der „Verkehr“ sich auf die täglichen Heuwagen mit Pferd, vereinzelte Motorräder (NSU), fünf Tretroller der Dorfjugend und alle zwei Wochen mal den Opel P4 des Bürgermeisters auf dem Weg zur Kreistags-Sitzung beschränkte. 

Die Chance, dort die ersten 20 Jahre überhaupt ein Fahrzeug zu treffen, mit dem man einen Unfall bauen konnte, war etwas geringer als gegen Ende der Siebziger. Total- oder sonstige Schäden waren dann wohl eher auf ein zu heftiges vorangegangenes Feiern des Chauffeurs als auf eine Kollision mit anderen beweglichen Objekten (abgesehen vielleicht von Kühen, dem Dorfhahn oder anderen Mitfeiernden) zurück zu führen.
Davon abgesehen rollte natürlich der sozusagen systemimmanente Verkehr (LKW und Panzer) in Richtung Osten nach der Mobilmachung bzw. beim Rückfluss der Flüchtenden (Handkarren und Holzvergaser-LKWs) und Verfolger (schon wieder Lkws und Panzer) nach Westen am Ende des nicht ganz tausendjährigen Reiches kurzfristig unverhältnismäßig stark. Unfälle, die in diesem Zusammenhang stattfanden, wurden aber meines Wissens vom ADAC zumindest nicht öffentlich erfasst, da sie oft staatenübergreifend stattfanden und schon im Zuge des Datenaustauschs zu Fragen unlösbarer Art führten.

Wie auch immer, eigentlich war man auch gegen Ende der Sechziger nicht unbedingt alleine auf der Straße, aber die Zahlen aller zugelassenen Fahrzeuge (1960: 8 Mio. , 2011: 50 Mio.) sprechen für sich.
Entsprechend wappnete die Kfz-Industrie sich bzw. den Fahrer mit immer neuen Gegenmaßnahmen, den GAU betreffend und bastelte über die Jahrzehnte so viel Airbags und Knautschzonen in Neuwagen, dass man jetzt wahrscheinlich den damaligen Dorfanger runterkullern könnte, locker die Tür öffnen und dann den ADAC nicht mal mehr rufen müsste, sondern auch das bereits elektronisch über Satellit erfolgt wäre.

Nur würde ich meinem Opa eben heute nicht mehr zum Tragen der Nadel am Revers raten. Zu groß wäre doch die Gefahr, dass er sich beim Kullern selbst aufspiessen würde, was dem ADAC trotz seiner 18 Millionen Mitglieder gar nicht gefallen würde.

Montag, 10. Juni 2013

Das „Wasser des Lebens“ und ich


uisge beatha  so viel sei gesagt, kommt aus dem Schottisch – Gälischen und bedeutet „Wasser des Lebens“. 

Nicht-Schottisch-Gälische Erdbewohner – also vermutlich ein großer Rest der Menschheit - sagen einfach Whisky. Aber das wussten Sie ja sicher alles schon. Kaum hat man sich dieser Weisheit gewidmet, fällt einem als gebildeter Humorist auf, dass dieser Begriff auch schon von den Franzosen okkupiert wurde (eau de vie = Lebenswasser = Schnaps, allerdings aus Obst). Wundert es? In beiden Fällen stelle man sich vor, dass erste dankbar aus wahrscheinlich abenteuerlich konstruierten Apparaten empfangene Destillate den sturmerprobten Küsten-Bauern aus der Normandie oder Bretagne mit verfeinerten Äpfeln genauso über den kalten Winter geholfen haben wie dem schottischen McSonstwie in den Highlands seine goldenen Tropfen aus Getreide. 
Sie bringen die Lebensgeister eben wieder, wo sie fehlen. Erst nach intensiverem Genuss kann man dann diesen Prozess auch rückwärts verfolgen. Und wenn wir schon mal dabei sind: „Wasser“ und „Leben“ wird - gar nicht erstaunlich - auch bei Aquavit (aqua vitae) durchaus begrifflich kombiniert, geschmacklich dann allerdings unter Mithilfe von Kümmel. Ich bin sicher, ähnliche Konstrukte gibt auch im Namibischen oder bei den Inuit, möchte aber das Wissenschaftliche hier gar nicht so auswalzen sondern dazu auf Wiki oder ähnliche links verweisen.
Als ein dem leckeren Festen und Flüssigen dieser Welt nicht abgeneigter Konsument wundert es mich eigentlich, dass es so lange gedauert hat, bis ich auch bei „Wasser des Lebens“ , speziell hier aber bei Whisky - gerne mitrede. Dazu folgende Episode.
Will man guten Honig probieren, geht man zu Bienen und nicht zum Discounter. Möchte man in gutes Fleisch beißen, sollte ein Metzgerbesuch nicht zu weit sein, auch wenn die Kühltheken auf dem Weg dorthin billiger und meistens näher sind. Ich weiß, wovon ich rede.
Und so war es 2006, als ich auf einen Wochenendtrip nach Edinburgh flog. Mit vier Tagen Zeit im Rucksack und noch ohne viel Ahnung von dem, was man da so tun sollte, stand ich irgendwann auf der Highstreet – oder Royal Mile – mitten in der Stadt. Ich bin als Fotograf nicht so der Marco Polo „Abhaker“ sondern lass mich lieber treiben von zufälligen Blicken in Seitenstraßen oder einfach meiner Nase. Ich liebe das englische Leben, die Lebensart und den dort typischen Humor, daher brauche ich vor Ort kein großes Programm. Aber wie es so geht, man ist mit Kamera und Tagesrucksack so seine drei bis vier Stunden auf dem Pflaster unterwegs und irgendwann sagt der Magen: „Stopp!“ Es knurrt. Zeit zur Einkehr.
Wer sich in englischen Pubs nicht wohlfühlt, hat mein Mitgefühl. Eine bessere Mischung aus Geselligkeit, Essen und Trinken, abgewohntem Mobiliar und glänzendem Kupfer, Glas und Holz wird man selten finden. Der Landadel im Tweed steht da neben dem Handwerker im Overall und man hat das Gefühl, sämtliche Castings von Rosamunde Pilcher bis Edgar Wallace und – je nach Pub -  dem Doktor und seinem lieben Vieh umgeben einen. Es gibt zwar auch hier – speziell beim Essen – Dinge, die ich für empfehlenswert, andere für das Gegenteil halte, aber die Mischung macht´s. Sheperd´s Pie schmeckt – Haggis schmeckt (mir) nicht. So hatte ich irgendwann meine zwei Lager plus Pie intus und genoss die Atmosphäre. Es wird natürlich an Edinburgh gelegen haben, dass die Bar hinter der Theke auf dem Regal neben den üblichen Verdächtigen eine fast unüberschaubare Menge an Whiskyflaschen unterschiedlichster Etikettierung beherbergte. Ich schätzte sie auf locker fünfzig bis sechzig Sorten.  
Mein bisheriger Kontakt mit Whisky – oder was ich laut Etikett dafür hielt – erstreckte sich auf zwei Stationen von früheren üblen Studentenzeit-Mixturen (Whisky Cola) auf später folgende Einzel-Tests von Johnny´s oder Dimples aller Art. Nicht mein Ding waren alle und führten daher in der Conclusio für mich dazu, dass ich beschloss, das Zeug nicht zu mögen. Es schmeckte nach fauler Gartenerde, scharf und teilweise sogar nach schon mal Gegessenem. Ich strich es also von meiner zukünftigen Getränkeliste und konnte auch so prima weiterleben.
Hier aber – im Auge des Sturms sozusagen – war es mir, als wäre ich vergleichbar mit einem typischen Touri, der im Steakrestaurant in Dallas, Texas, sitzt und sich als Vegetarier outet. Und wer will schon ein typischer Touri sein? Am wenigsten die typischen Touris!
Mein Blick fiel auf einen einzelnen Herrn an der Bar. Weißhaarig, wohl Mitte Sechzig, Tweed Jackett, Cordhose, Modell Landadel, vor sich ein Glas mit goldenem Inhalt. Er hätte als McIrgendwas von einem adligen Castle durchgehen können und ich war sicher, es parkte irgendwo ein grüner Jaguar oder Land Rover aus den Sechzigern vor der Tür.
Ich stellte mich neben ihn; wir kamen ins Gespräch. Es ging um Themen, die immer vorkommen, wenn Deutsche und Engländer sich unterhalten. Das Wetter, der Krieg, wer wann wo schon mal in der Weltgeschichte war und manchmal Fußball. Bevor es zu Fußball kommen konnte und das Gespräch dann wohl rapide abgestürzt wäre, da ich Abseits nicht mal auf Deutsch erklären kann, wechselte ich zum Thema Whisky. Ich erzählte ihm meinen Werdegang in dieser Richtung, erntete unverständliches Stirnrunzeln und fühlte mich gut aufgehoben. Er, so meine Bitte, habe jetzt die wahrscheinlich nie mehr vorkommende Gelegenheit, mich zu bekehren. Was, zum Teufel, hätte ich falsch gemacht? Da Engländer bei gleicher Aussage immer um Zehnerpotenzen höflicher klingen als wir, meinte er nicht „Just everything, my boy!“, sondern umschrieb es besser mit „Es hätte sicher Möglichkeiten gegeben, eine Verbesserung hie und da herbei zu führen.“
Zunächst winkte er das Mädchen hinter der Bar zu uns und zeigte auf eine Flasche aus dem Etikettendschungel hinter ihr. Sie nahm zwei Gläser und stellte sie vor uns. Wir prosteten uns zu und ich versuchte vorsichtig, der Sache näherzutreten. Ein Himmel tat sich auf! Weich, vollmundig, kräftig und nur so scharf, wie man es gerne schmeckte, lief das Lebenswasser innen an mir runter. Ich war so erstaunt, dass er lachte. So müsse Whisky schmecken, meinte er. Ich konnte ihm nur beipflichten.
Beweise im wissenschaftlichen Umfeld sind keine, wenn der Versuch nur einmal geklappt hat, soviel ist sicher. Um der Hypothese, es sei ein Zufall gewesen, sämtlichen Boden zu entziehen, wiederholten wir den Versuch. Er opferte sich ebenfalls. Klare Ansage von da ab: das Zeug schmeckt. Aber nicht, sobald „Whisky“ auf der Flasche steht, sondern sobald auch ein Destillat, was den Namen verdient, drin ist.
Leider konnte er meine Feldforschungen nicht weiter begleiten, da sich ja erwähnter Oldtimer noch vor der Tür befand. Und so schieden wir in der festen Überzeugung, viel für den britisch-deutschen Austausch getan zu haben (dem europäischen Gedanken insgesamt wollte er trotz drittem Glas nicht weiter näher treten; Adel verpflichtet schließlich).
Immer wenn ich „meine Marke“ jetzt irgendwo entdecke, denke ich an den alten Herrn und beneide ihn – aus genannten Gründen – um seinen wohlsortierten Haus-Pub. Prost! Er hat mein Leben bereichert.

Freitag, 7. Juni 2013

Betroffenheit ist eine Zier...



In der letzten Ausgabe der „ZEIT“ gab es einen Artikel zu einem interessanten Experiment. 
Auf den Punkt gebracht konnten Probanden (das sind die, die man in der Statistik hinterher so bewerten kann, dass die Statistik das aussagt, was man vorher schon beweisen wollte) das Leben einer Maus in Euros bewerten. Und zwar einer Maus, die direkt vor ihnen im Käfig saß. Man konnte soundso viel zahlen und die Maus blieb am Leben, zahlte man weniger, wurde sie vergast. In diesem Fall war es egal, da sie sowieso hinterher sterben mussten, da es Versuchsmäuse mit gentechnischem Hintergrund waren; ihr Leben war aus irgendwelchen EU-Richtlinien heraus sowieso verwirkt. Das wussten die Probanden aber nicht.

Ein anderes Experiment, in den Sechzigern glaube ich, erlaubte es Versuchspersonen, andere Menschen (hinter einer Glasscheibe sichtbar) mit Elektro-Schocks per Knopfdruck und variabler Skala ( „kaum merkbar“ bis „fast tödlich“) so zu bestrafen, wie sie es für richtig hielten, wenn diese eine Frage falsch beantwortet hatten. Reaktionen der Schocks wurden gezeigt. Es zeigte sich, dass die Knopfdrücker teilweise Impulse veranlassten, die im richtigen Leben zum Tode geführt hätten. Die Reaktionen allerdings waren nur gespielt, es floß kein Strom.
Warum erzähl ich das alles hier? Es geht um Betroffenheit. Ab wann sind wir direkt betroffen von Dingen; wie nah müssen sie kommen, damit wir die Nähe spüren und entsprechen reagieren?
Dammbrüche in China, Tsunamis in Asien, Tornados in Oklahoma, Aids in Kenia, Hunger im Sudan. So weit, so schlecht. Entfernung: 4 -14000 km, je nachdem. Ein Fall für die Tagesschau als Opener (am ersten und vielleicht zweiten Tag noch), dann rutscht das Ganze in die zweite Reihe, flankiert durch die entsprechenden Spendenaufrufe auf diverse Konten. Wenn die Opfer Glück haben, gibt’s noch einen RTL-Spenden-Marathon von 20 bis 24 Uhr mit 10 Promis an der Hotline (meine Empfehlung: Herr Kubicki, der war schon mindestens zwei Wochen nicht mehr auf dem Schirm). Hier hat der gute Deutsche Gelegenheit, sich durch 10 Euro frei zu kaufen (… irgendwo hatte ich das mal im Religionsunterricht, glaube ich…), ab 100 Euro taucht er dann auch im Laufband unten auf der Mattscheibe auf und kann das Foto dann auf FB senden. Hier stimmt der Abstand noch: „Ich hab ja was getan, war nur zu weit weg.“

Szenenwechsel: Grimma, Leipzig, Dresden. Hochwassermarkierungen von 2002 sind teilweise wegen Überflutung nicht mehr lesbar. Eine Sondersendung jagt die nächste, Frau Merkel und andere Politgrößen vermitteln in Gummistiefeln Betroffenheit vor Ort. Entfernung vom Rheinland? Ca. 600 km – je nach Standort. Da wird’s schon enger (denkt man so für sich) weil einige Berliner schon angereist sind um Sandsäcke zu stapeln. Hat man Verwandte dort, ist man arg in der Zwickmühle. Soll ich? Man weicht vielleicht auf die Öko-Bilanz aus: „Verbrauche ich mehr Sprit für dahin, als dass sich das lohnt, mit 675 anderen einen Sandsack nach dem anderen voll zuschaufeln?“ In jedem Fall mal Spenden – vorsichtshalber etwas mehr, wegen der Nähe.

Winter in Deutschland. Schnee, Schnee, Schnee. Schaufeln wird zum Standard vor dem Frühstück. Und die alte Frau Müller nebenan mit ihren sechzig Metern Straßen Front? Da hilft man dann doch. Sie kann es ja nicht mehr, wegen der Hüften. Und der Apfelkuchen von ihr neulich, der war schon klasse!

4. Akt: Das eigene Haus brennt. Alles weg, Möbel, Kleidung, Dokumente, Geld. Man selbst steht im Bademantel auf der Straße.
„Schlafen Sie erst mal bei uns!“, „Ich hab doch noch die Sachen von meinem Verstorbenen im Keller, die können Sie haben.“ Feuerwehr vor Ort. WDR vor Ort. Facebook vor Ort. Nachbarn vor Ort. Bürgermeister vor Ort. 

Sprung: Wochen gehen ins Land und man hat wieder eine Bleibe, das Leben geht weiter, die Versicherung hat gezahlt. Beim Durchgehen der Konto-Bewegungen und Mails nach längerer Zeit: kann man sich da noch wundern, wenn die Tante aus Vancouver nicht gespendet hat?

Donnerstag, 6. Juni 2013

Bücher - Stationen einer Liebe



Erste einzelne Exemplare dieser Art zierten Anfang der Sechziger mein Wandregal im Kinderzimmer. 

Ich steigerte mich dann vom Räuber Hotzenplotz mit Wachtmeister Dimpflmoser, dem immer losen Löwen von Max Kruse über die fünf Freunde zu Karl May (Band eins bis Dingenskirchen). „Was ist was“ mit dem Liebling Tyrannosaurus Rex (Band „Dinosaurier“) war natürlich zwischendurch dabei und so ging es weiter und weiter. 
Ein Studium spielte sich in den Siebzigern noch nicht auf Festplatten und im Netz ab, sondern in dicken Skripten, handschriftlichen Notizen und echten Büchern ab (abgesehen von den parallel erscheinenden Playboy oder Penthouse Jahrgängen, wegen der Witze). Entsprechend bogen sich die Regal-Bretter. Der Umfang der „Bibliothek“ wuchs – gefiltert wurde anfangs vor Umzügen gar nicht, später noch weniger. Bis heute kann ich 16 oder 17 Umzüge zählen und mein Rekord an Umzugskartons voller Bücher liegt bei zehn, glaube ich.
Man kann gegen das Möbelhaus aus Schweden viel wettern, aber was war das Literatur-Leben vor „Billy“? Selbst bei koreanischen Bauanleitungen mit finnischen Untertiteln konnte man dieses Teil noch blind zusammenschrauben (vorausgesetzt, man fand den Inbus-Schlüssel) und  es hielt – lange. Und hält immer noch. Man baute einfach rechts oder links wieder eins dran und hatte wieder etwas Zeit gewonnen, wichtige Einzelexemplare wie „Der Schwarm“, „Das große Heckflossenbuch“ oder Marco Polo „Istanbul“(1992) zu stapeln.
Regelmäßig begann ich dann vor Urlaubsreisen, mich mit einigen neuen Kilos Reiseliteratur einzudecken. Bücher, die sich im Liegestuhl am Pool von selbst umblättern, klebende Sonnenmilch und gekippten Campari Orange vertragen und nach dem Durchlesen in der hoteleigenen „Bibliothek“ (das windschiefe Regal hinter der Rezeption links) gegen noch hochwertigere Exemplare – je dicker desto passender – getauscht werden konnten, weil die geschätzten Umfänge der Wälzer doch nur bis Ende der ersten Woche des Urlaubs reichten. Auch diese wanderten anschließend ins neueste Billy.
Aber dann !!
Ein elektronisches DIN A 5 - Konstrukt mit einer Glas-Scheibe vorne und einem wenig anheimelnden haptischen Erlebnis insgesamt erschien auf der Bildfläche von Media-Tempeln und sogar Buchhandlungen! Das Ding schluckt zwar ohne Ende Mega- oder Gigabyte an Literatur, verträgt aber k e i n e Sonnenmilch oder noch stärkeres. Man kann es nicht streicheln – jawohl, mach ich manchmal bei einem (guten) Buch. Man kann es nicht umblättern, keine Widmung hineinschreiben, keinen Wackeltisch stabilisieren, keine Eselsohren reinmachen, nicht mit Kuli markieren, nicht stapeln, keine Mücke damit erschlagen (oder nur ein Mal) und wenn man beim Lesen einschläft, fällt es runter und ist bei meinem Glück und meinen Bodenfliesen direkt kaputt.  O.k., stapeln kann man es natürlich….macht aber nicht sooo viel Sinn aus meiner Sicht.
Buch – dein Feind nennt sich kindle!! Wer möchte sich von diesen oben genannten Eigenschaften eines Soft- oder Hardcovers trennen? Ich verstehe es nicht.
Allerdings hatte dieses Ding nach seiner Einführung vor ein paar Jahren auch etwas Nützliches. Ich fing an, darüber nachzudenken, dass man dort wahrscheinlich meine gesamten Regale auf einem Stick parken konnte und ob man nun wirklich alle Jahrgänge von „Tauchen“ oder von beschriebener Urlaubsliteratur sammeln muss. Und siehe da: ich begann zu sortieren.
Böll links – Stieg Larsson rechts – Buddenbrooks links – Immobilienfinanzierung, leicht gemacht (2005), rechts.
Aber dann begann die Krux erst: wohin mit dem rechten Stapel? Bei erster unkomplizierter Annäherung an das Problem gab es noch Ideen zuhauf. Altersheim, eBay, Verschenken, Flohmarkt. Schnell eines Besseren belehrt erkannte ich, dass private und öffentliche Buchbesitzer aktuell alle mit demselben Problem kämpften. Großzügige Angebote meinerseits wurden unsanft quittiert mit "schon wieder, nein danke". eBay Artikel ruhten wie Blei. Na, und welche Bücher kann man schon gebraucht an Freunde verschenken? 
Aktuell hoch im Kurs stehen wohl diese „Wechselboxen“ oder wie sie heißen. Meist in REWE-Läden oder auch auf öffentlichen Plätzen stationierte Regale, die ein Geben und Nehmen der dort aufgereihten Schinken frei erlauben und meist betrieben werden durch Rentner und andere Personen mit großem frei zu planenden Zeitkontingent. Seit dem geh ich dort so oft Einkaufen, dass man mich schon duzt. Jedes Mal mit fünf Büchern in der Tüte rein und mit Aufschnitt wieder raus. Dezember bin ich durch, hoffe ich.
Und der linke Stapel, der bleibt natürlich.